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Erfahrungen mit dem


Vizsla (2)

 

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Erfahrungen mit dem Vizsla (2)
Von Gudrum Völkner

Warum sollte es für mich als Nichtjägerin ein Vizsla sein? Und wie lebe ich nun mit ihm?
Mein erster Hund war ein Cocker Spaniel, danach folgten zwei Schäferhundmischlinge (Rüde, Hündin). Als meine letzte Hündin „in die Jahre kam“ schaute ich mich um, was mein nächster Hund sein könnte. Schon mehrfach hatte mich der Gedanke an einen Vorstehhund beschäftigt. Nach zwei Hunden mit sehr gut lenkbarem Jagdtrieb (was mich zu der vermessenen Bemerkung brachte: „Wer seinen Hund am Wild nicht unter Kontrolle hat, ist selber schuld!“) brachte mich die letzte Hündin manchmal hart an meine Grenzen (ich tue hiermit Abbitte für meine o.g. Bemerkung!). Zwar reiner Sichtjäger und absolut zufrieden, wenn sie das Wild eingeholt hatte, um es dann unbehelligt weiterlaufen zu lassen, war sie zunächst im Durchstarten eine kaum zu kontrollierende Rakete.
Bei der Beschäftigung mit diesem Problem stieß ich immer wieder auf das Verhalten der Vorstehhunde. Ich sagte mir: Am Wild macht er in der Regel keine Alleingänge, sondern sucht die Zusammenarbeit mit seinem Hundführer / seiner Hundeführerin. Wenn man also diese Zusammenarbeit sucht und fördert, sollte die Wildbegegnung kein Problem, sondern allenfalls eine Herausforderung sein. Aber würde ich den Bedürfnissen so eines Hundes gerecht werden können?

Beim Lesen diverser Rassebeschreibungen landete ich immer wieder beim Magyar Vizsla, der als besonders leichtführig und menschenbezogen beschrieben wurde, der auch mit verschiedenen Ersatzbeschäftigungen als Alternative zur Jagd gut auszulasten sei.
Also suchte ich das Gespräch mit Vizslabesitzern und –züchtern auf Ausstellungen, Vizslatreffen und privaten Begegnungen, mit Jägern und Nichtjägern. Ich konnte mich davon überzeugen, dass die Beschreibung der rassetypischen Verhaltensweisen sich in den meisten Fällen bewahrheitete und war zunehmend fasziniert von den sympathischen und aufgeschlossenen Hunden – in der Jugendzeit geprägt von einer Lebensfreude, die kaum auszuhalten ist (und dadurch leider auch manchen Vizsla im Tierheim landen lässt)!

Bei meinen Recherchen landete ich schließlich bei Vizsla-in-Not, einem Verein, der sich um die Vermittlung in Not geratener Vizslas aus Deutschland, aber häufig auch aus dem Ursprungsland Ungarn und manchmal auch anderen Ländern bemüht.
Die engagierten Tierschützer beeindruckten mich ebenso wie das Konzept, nach dem nur Hunde aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden, wenn ein Interessent oder zumindest eine Pflegestelle zur Verfügung steht. Durch die kompetenten Pflegestellen können Aussagen gemacht werden über den einzelnen zu vermittelnden Hund und seine Besonderheiten, über seine Qualitäten, Eigenheiten und über eventuelles Problemverhalten. Und es werden bereits Defizite bearbeitet und der Hund auf einen eventuellen Interessenten vorbereitet.
Da ich in meinem Vollzeit-Arbeitsplatz immer sehr gefordert bin, kann ich nur einen Hund halten, wenn ich die Möglichkeit habe, dass dieser mich täglich dorthin begleitet. Ich wollte ihn deshalb an meinem Arbeitsplatz als Therapiehund einsetzen und eine entsprechende Ausbildung mit ihm absolvieren. Für den Vizsla in diesem Einsatzbereich sprachen: die Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen, nicht nervös, hohe Reizschwelle, bringt wenig Schmutz ins Haus (besonders die Kurzhaarversion), geringer Eigengeruch.

So kam ich zu Bingo, einem Kurzhaarvizsla aus dem ungarischen Tierschutz. Er wurde auf zwei Jahre geschätzt, als ich ihn übernahm. Über seine Vorgeschichte weiß ich nur, dass er vorübergehend auf der Straße gelebt haben muss. Heute arbeitet Bingo regelmäßig mit Menschen mit schwerer Demenz. Durch seine Aufgaben fordert er das Gedächtnis, fördert Konzentration, Grob- und Feinmotorik und vermittelt Lebensfreude. Er spielt mit den Pflegeheimbewohnern Fußball mit einem Gymnastikball, legt ihnen einen großen Gummiwürfel in die Hand, damit sie ihm so viele Leckerli geben wie sie vorher Augen gewürfelt haben und weitere Übungen. Diese Arbeit macht nicht nur den Menschen im Heim, sondern auch ihm sichtlich Freude.

Aber wie laste ich meinen Vizsla in der Freizeit aus?
Neben langen Spaziergängen, Toben mit anderen Hunden, Laufen am Fahrrad u.ä. braucht er auch geistige Anforderungen. Aus mehr als 15 Jahre Rettungshundearbeit, für die er sicherlich sehr gut geeignet wäre, aus der ich mich aber zurückgezogen habe, kommen mir meine Erfahrungen zugute, die ich in Gegenstandssuchen / Freiverlorensuche einfließen lasse; dies ist auch beim Spaziergang allein mit dem Hund gut möglich.
Wöchentlich treffen wir uns zur gemeinsamen Dummyarbeit in einer kleinen Gruppe. Zunächst hatte ich erwogen, mich einer Gruppe für Mantrailing anzuschließen; da Bingo aber nicht dazu neigt, irgendwelche Fährten aufzunehmen und zu verfolgen, wollte ich dies auch nicht „hervorlocken“. Diese Möglichkeiten der Nasenarbeit stellen einen guten Ersatz für die jagdliche Arbeit dar. Den Hunden ist nach erfolgreicher Arbeit ihre Zufriedenheit anzusehen.

Weitere Möglichkeiten der geistigen Herausforderung können z.B. sein: Clickertraining, Trickdog, Dogdance, Obedience/Rally-Obedience, Flyball, Mobility/Agility u.a.m.; das meiste davon wird von mir zeitweise eingesetzt bzw. habe ich es ausprobiert, um zu sehen, ob es mir und meinem Hund Spaß macht. Es gibt auch einige Vizslas, die gute Eignung als Reitbegleithunde zeigen.
Bei Spaziergängen im Wald zeigt mein Vizsla mir Wildwitterung oder auch –sichtung durch sein gutes Vorstehverhalten an. Wie von Sabine Middelhaufe beschrieben trete ich dann zu ihm hin mit leisem Lob und „Halt!“, streichle ihn vorsichtig, trage ihn schließlich ab und wir gehen in einer anderen Richtung weiter. Oder wir warten, bis das Wild weitergezogen ist, um dann unseren Weg fortzusetzen. Sind wir allerdings mit mehreren Hunden unterwegs, leine ich ihn vorsichtshalber an, bis wir die Stelle passiert haben.

Ich erlebe den Vizsla als einen Hund, der durchaus Interesse am Wild hat und bei einfühlsamer Führung und liebevoller Konsequenz sicherlich auch sehr gut für den jagdlichen Einsatz geeignet ist. Aber auch in Nichtjägerhand kann er ein zufriedener und ausgeglichener Hund sein, der sich bei entsprechender Führung und Forderung zu einem idealen Freizeitpartner entwickeln kann – enger Familienanschluss vorausgesetzt (Zwingerhaltung lehne ich ab).
Allerdings kann ein Vizsla seine Leute mit seinem Charme um den Finger wickeln. Ich kann mir auch vorstellen, dass ein unerzogener Vizsla sich zu einem Kläffer und Haustyrannen entwickeln kann. Ein Vizsla benötigt – wie jeder andere Hund auch – eine klare und wohlwollende Führung. Wenn ihm die geboten wird, kann er sich zu einem wahren Goldstück entwickeln.

Alle Fotos: Gudrun Völkner

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