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Erfahrungen mit dem


English Setter

 

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Erfahrungen mit dem English Setter
Von Rossella Di Palma

Fast hätte ich meinen ersten English Setter schon im lange zurück liegenden Jahr 1988 bekommen. Unsere lokale Tageszeitung hatte damals das Foto einer kleinen Setterhündin aus dem städtischen Tierheim veröffentlicht, und ich konnte einfach nicht begreifen, dass jemand so ein schönes Tier ausgesetzt hatte. Natürlich ging ich hin, um sie zu besuchen. Die Hündin war schwarz-weiss und stand da hinter der Abzäunung im Tierheim in Erwartung auf irgendetwas oder irgendjemanden. Ach so gern wäre ich dieser Jemand gewesen, aber ich war Mitglied einer nicht gerade hundebegeisterten Familie, und also geschah am Ende gar nichts mit mir und der kleinen Setterin.
Wenige Wochen später bekam ich dann allerdings doch meinen ersten Hund, einen Mischling mit viel Setterblut. Ihm folgte, mehr aus Zufall, ein aristokratischer, unvergesslicher Greyhound, nach dessen Tod ich gern wieder einen Windhund genommen hätte, aber die schon erwähnte, nicht hundebegeisterte Familie legte mir Steine in den Weg. Ich könne vielleicht wieder einen Hund haben, einverstanden, aber diesmal einen, der ganz rigoros im Garten gehalten würde, und da ich wusste, wie wenig weise es ist, einen Greyhound permanent dem Nebel der Poebene auszusetzen, begann ich, mich nach einer anderen Art Hund umzuschauen.
Hunde, die ein neues Zuhause suchten gab es mehr als genug; ich studierte sie sehr genau, versuchte, sie kennen und verstehen zu lernen, und begann schliesslich über die Adoption eines jungen English Setters zu meditieren. Socks war damals etwas mehr als ein Jahr alt und ein ganz normaler weiss-orangener Setter mit einer etwas spitzbübischen Art. Was mich in seinen Bann schlug, war seine Fröhlichkeit und Lebhaftigkeit und diese vollkommene Bereitschaft, Zuneigung zu geben und anzunehmen, (und später seine absolut komischen Spielattacken auf die Klobürste und die Maiskolben des Bauern...)
Na ja, so kam es, dass eines Sonntags im November Socks bei uns einzog – mit einem an seinem Halsband befestigten Zettelchen, das ihn als „Hunde-Gentleman mit guten Sitten“ vorstellte.
Nie hat sich eine Definition als derart verfehlt erwiesen..

Startfoto und oben: Socks - Setter mit spitzbübischen Tendenzen.

Die erste Zeit des Zusammenlebens war katastrophal: auf grund seiner „stürmischen“ Vergangenheit litt Socks, so stellte sich bald heraus, unter einer schweren Form von Verlustangst und hatte massive Schwierigkeiten zu begreifen, dass dieses neue Heim (denn ja, entgegen aller Abmachungen lebte er natürlich doch mit uns im Haus), dass also dieses neue Heim sein definitives Zuhause sein sollte, wo er sich sicher und geborgen fühlen konnte – aber nicht seine Geschäfte verrichten...!
Völlig gerechtfertigterweise verdiente sich Socks, nach dem er mein Handy zerkaut hatte, einige Schuhe, einen Pulli, Teile eines Buches, die Brille, das Telefonkabel und andere Dinge, die ich nicht mehr erinnere, den äusserst treffenden Spitznamen „Disaster-Setter“.
Fast zwei Jahre später freilich hatte sich Socks in einen schönen und wohlerzogenen Hund verwandelt, der zwar noch unverkennbare Spuren seines bisweilen "unerträglichen" Naturells bewahrte, aber alles in allem ein erfreuliches und angenehmes Zusammenleben erlaubte.

Und damit komme ich, zum Leidwesen derer, die den English Setter für einen ausschliesslichen Jagdgebrauchshund halten, zum eigentlichen Thema: was es nämlich bedeutet, mit so einem Hund zu leben.
Zunächst einmal: vergessen Sie das übliche Bild eines Setters, der irgendwo im Garten in einer 1x1 m grossen Box aufbewahrt wird. Der tiefste Wunsch dieser Hunde ist es, wirklich mit und bei ihrem Menschen zu leben und ständig mit von der Partie zu sein. Einen Setter zu „besitzen“ heisst, nie allein zu sein, sondern immer jemanden an seiner Seite zu haben. Deshalb ist es ratsam, ihm von Anfang an gewisse Grenzen zu setzen und ihm zu erklären, dass es zum Beispiel nicht nötig ist, Ihnen auch ins Badezimmer zu folgen und er, wenn möglich, in einem anderen als Ihrem Schlafzimmer nächtigen kann. Morgens wird so ein Setter als „fröhlicher Wecker“ fungieren, und auch wenn Sie so tun, als hätten Sie ihn nicht bemerkt, wird er sich neben Ihr Bett setzen und Sie anschauen - in Erwartung Ihres ersten deutlichen Lebenszeichens. Sollten Sie sich damit zu lange Zeit lassen, setzt er vermutlich seine Geheimwaffe ein: das Wuffen direkt in Ihr Ohr.
Wenn Sie schliesslich aufstehen, sich anziehen und anfangen, etwa das Haus in Ordnung zu bringen, vergessen Sie bitte nicht, dass der English Setter, (allen voran Socks) ein „ordnungsliebender“ Hund ist: wenn Sie irgendetwas herum liegen lassen besteht die eindeutige Gefahr, dass Ihr Setter es in Besitz nimmt, genussvoll zerlegt und dann die Reste im Haus herum trägt. (Eine optimale Rosskur für unordentliche Menschen!)

"Ordnungsliebender" Socks.

Der English Setter ist an sich ein sanfter und liebenswürdiger Hund, der Sie, wenn Sie ihn nur richtig daran gewöhnen, freudig überall hin begleitet, auch in die City oder zum Shopping in die Innenstadt, wo man Ihnen wahrscheinlich oft Komplimente für den schönen Hund machen wird, den man ja sonst kaum im urbanen Umfeld antrifft. Ausserdem ist der Setter dafür geboren, bei der Jagd gemeinsam mit seinen Artgenossen zu arbeiten, weshalb er - Ausnahmen bestätigen wie üblich die Regel – im allgemeinen sozialverträglich ist und kaum daran interessiert, mit Seinesgleichen Streit anzufangen. In den meisten Fällen wird die Begegnung mit anderen Hunden deshalb mit Spielbereitschaft, Gleichgültigkeit oder höchstens mal einem Knurren quittiert.
Wenn sich auch jeder English Setter grundsätzlich als Begleiter für jede Art von Exkursion eignet, ist es andererseits doch wahr, dass Sie Ihren vierbeinigen Freund zu diesem Zwecke zunächst in einer Weise erziehen müssen, die Ihnen erlaubt, seine überschäumende Lebhaftigkeit im Bedarfsfalle zu bremsen. Bei der Erziehung eines Setters dürfen Entschlossenheit, Konsequenz und Geduld nie fehlen, während eine „harte Hand“ nutzlos und häufig schädlich ist. Es ist auch absurd und utopisch von einem English Setter den bedingungslosen Gehorsam zu erwarten, der andere Rassen auszeichnet, die „dazu geboren sind, zu gehorchen“, aber umgekehrt ist es keineswegs unmöglich, einen Setter zu haben, der wedelnd den Befehlen seines Menschen gehorcht.

Erziehung gehört dazu.

In seinem Buch "L'intelligenza dei Cani" („Die Intelligenz der Hunde“) stellt Stanley Coren eine spezielle Klassifikation der Intelligenz verschiedener Rassen im Rahmen von Leistung und Gehorsam auf und gibt dem Setter den 36. Platz unter 79 Positionen. Doch wie jede andere Rasse hat auch der Setter seine Schwachstellen: von einem ausgeprägten Jagdtrieb in Versuchung geführt, der obendrein Hand in Hand mit seinem athletischen Körperbau geht, neigt er dazu, sich in die Verfolgung des erstbesten „wilden“ (oder pseudo-wilden, sprich: katzenartigen) Geruchs zu stürzen der ihm in die Nase steigt. Man muss schon ernsthaft daran arbeiten, beim Setter eine wirklich zuverlässige Reaktion auf den Rückruf zu erzielen, und man muss sich von der Idee verabschieden, diesen Hund in der Stadt unangeleint führen zu können. Natürlich braucht und bekommt der English Setter Freilauf, aber bitte im weiten, offenen Gelände, (die Geschwindigkeit, mit der er solches Terrain dann durchquert ist wirklich schwindelerregend!) fern von Strassen oder sonstigen urbanen Gefahrenquellen.
Leider werden solche weitläufigen Terrains immer seltener, während die Lust, zu galoppieren auch weiterhin in den Venen der Setter pulsiert.

Viel Freilauf und angemessene Beschäftigung braucht der English Setter

Zwei Alternativen, die allerdings nur teilweise den Freilauf ersetzen können, sind Jogging neben dem Menschen oder Laufen neben dem Fahrrad.
Tja, mit einem English Setter zu leben bedeutet also viel körperliche Bewegung, mit unbestreitbaren Vorteilen für den Menschen (Gewichtsabnahme und gesunde, kraftvolle Muskeln...). Und wenn dem Setter nicht die Möglichkeit geboten wird, zu rennen und sich auszupowern...nun ja...dann verschafft er sich das eben selbst, indem er anfängt, durchs Haus zu jagen und zu springen, trotz des Risikos, nicht nur Sachschaden anzurichten, sondern sich auf den modernen, rutschigen Fussböden auch selbst weh zu tun.
Socks beispielsweise setzte vor einiger Zeit seinen Hinterlauf nicht mehr richtig auf; nachdem ich mit ihm diverse Tierärzte aufgesucht hatte erkannte ein Spezialist schliesslich, dass es sich um eine Entzündung handelte, die durch wiederholte Traumata verursacht worden war, die sich Socks selbst beibrachte, indem er ständig unsere marmorne Wendeltreppe herunter raste..!
Kann man also einen English Setter überhaupt in Haus oder Wohnung halten? Grundsätzlich meine ich, man kann, vorausgesetzt freilich, der Besitzer ist sich darüber im Klaren, dass er da einen sehr fröhlichen, lebhaften Hund ins Heim holt, der sehr, sehr viel Zuneigung geben und bekommen möchte, und der sehr viel Beachtung und Bewegung braucht. Ein Pluspunkt für die Haltung im Haus ist die geringe Bellneigung des Engländers und sein „selbstreinigendes“ Fell. Ein Minuspunkt ist die eben erwähnte Lebhaftigkeit und überschäumende Energie, die man im Rahmen von Freilauf und Beschäftigung sinnvoll kanalisieren muss. Deshalb ist es wohl für jeden English Setter Besitzer günstig, am Stadtrand zu wohnen oder zumindest in der Nähe von Parks und weiten Freiflächen, wo Hunde laufen dürfen.

Socks in seinem Garten - wo sind die Katzen?

Socks hat zwar das Glück, über einen grossen Garten zu verfügen, doch viel öfter als dort nach dem Rechten zu sehen finde ich ihn in meiner unmittelbaren Nähe, wo er beispielsweise, alle Viere in die Luft gestreckt und mit einer Seite an die Zimmerwand gelehnt, vor sich hin döst. Wenn im Garten präsent, sieht man ihn mit grösster Wahrscheinlichkeit in irgendeine „jagdliche“ Aktivität vertieft, sprich die Verfolgung von Eidechsen oder Spatzen, die Suche nach Amselnestern, die Spurensicherung der unterirdischen Maulwurfgänge, oder er verdient sich sein zigstes CAC mit dem Vorstehen einer frei laufenden Nachbarskatze, eine Spezialität von Socks, bei der er brilliert!
Falls Sie ein erklärter Gegner der Jagd sind, empfiehlt sich jedenfalls, nach einem Hund Ausschau zu halten, der nicht so von seinen „primitiven Instinkten“ gelenkt wird wie der Setter.
Nur ausnahmsweise verbringt ein English Setter seine Freizeit mit der weniger edlen Aufgabe des Bewachens von Haus und Hof. Als echt englischer Gentle-dog wird er solche Arbeiten an eher „proletarische“ Artgenossen delegieren. Sicher, er lässt sich vielleicht mal dazu herab, ein suspektes Geräusch oder einen vorbei kommenden Hund, der ihm besonders unsympathisch ist, mit seinem Bellen zu vermelden, aber mehr auch nicht. Der einzige „Angriff“, den er hervorragend beherrscht, richtet sich auf die vollen Einkaufstüten oder Postpakete.
Socks ist ein Konzentrat aus Neugier und Lebensfreude, ohne jede Spur von Schüchternheit. Er liebt es nicht formal; er begrüsst jeden Besucher wohlwollend, und wenn es sich um altvertraute Gäste dreht, sorgt er auf diese oder jene Weise dafür, dass sie ihm auch Beachtung schenken. Seine bevorzugte Taktik dabei ist die Porno-Setter-Show, will sagen, er rollt sich vor den Füssen seines ausgewählten Opfers auf den Rücken, stösst dann mit den Pfoten in alle möglichen Richtungen, beobachtet aus dem Augenwinkel aufmerksam die Reaktionen des Opfers, bis dies sich ihm schliesslich zuwendet und ihn krault.

Geduldiger Socks - so kann man dem Fellwechsel natürlich auch begegnen...

Zum Glück ist das Fell des Setters nicht nur weich und angenehm anzufassen, sondern auch glatt und seidig, was sehr dazu beiträgt, dass es sauber bleibt. Wie ich vorhin schon sagte, ist das Haarkleid des English Setters „selbstreinigend“ in dem Sinne, dass Schlamm und Dreck, der draussen aufgenommen wurde, kaum dass der Hund trocken ist, von selbst abfällt, oder im schlimmsten Falle mit einigen Bürstenstrichen entfernt werden muss. Eine Ausnahme machen die langen Fahnen und Federn. Deren Funktion ist es ja, den Hund vor Dornen und dergleichen zu schützen, und so bleiben sie in den langen Haaren hängen.
Alles in allem ist es jedoch recht einfach, einen Setter „sauber und adrett“ zu halten. Der jahreszeitlich bedingte Fellwechsel fällt nicht besonders dramatisch aus, und wenn der Hund im Haus lebt verliert er während des ganzen Jahres konstant aber wenig Haar, das überdies lang, vorwiegend weiss und deshalb einfach zu sehen und aufzunehmen ist.
Abgesehen vom Haare aufsammeln, was muss man sonst noch mit einem English Setter machen? Die offensichtlichste Antwort ist natürlich, ihn mit zur Jagd zu nehmen oder an Field Trials teilzunehmen, denn in beiden Fällen kann der Setter seine natürlichen Anlagen einsetzen und hat eine Menge Spass. Aber neben der Jagd kann er sich mit uns gemeinsam auch bei anderen Aktivitäten vergnügen: Obedience (sofern der Besitzer viel Geduld hat!), Agility, Pet Therapy (dank seines sanften Wesens), als Flächensuchhund (das macht auch Socks), bei der gelegentlichen Ausstellung usw., denn der Setter ist weitaus vielseitiger, als man gemeinhin denkt!

Socks - am Ende doch ein Gentle-dog mit guten Manieren.

Nun, ich hoffe Sie haben jetzt einen Eindruck davon, wie es sich "anfühlt", das Leben mit einem English Setter zu teilen, der, Prise Ironie, seine disaströse Seite haben mag, doch dem man wegen seiner Sanftheit, Erfindungsgabe und seines anziehenden Wesens am Ende alle Torheiten verzeiht. Er kann ein unvergleichlicher Lebensgefährte sein, unter der Voraussetzung, dass Sie seine Anlagen und Qualitäten zu schätzen und seine Schattenseiten erzieherisch zu minimieren wissen. Wenn Sie sich entscheiden, so einen Engländer aufzunehmen, ohne Ausstellungsambitionen oder besondere jagdliche Erfordernisse zu haben, schauen Sie doch bitte mal bei den Tierheimen oder Auffangstationen in Ihrer Gegend herein. In den meisten Fällen findet man dort mehr als nur einen Setter, der auf eine zweite Chance hofft.

Alle Fotos: Rossella Di Palma

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