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Braque Francais (1)

 

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Braque Francais Jolie
Von Ute Schäfer

Vor einem Jahr sah ich Jolie, eine Braque Francaise Typ pyrenees, die von Tierschützern als vermeint liche DK-Hündin nach Deutschland importiert worden war zum ersten Mal.
Was man dabei nicht bedachte: Eine BF Typ pyrenees ist mit einem DK nicht zu vergleichen. Zudem stellte sich später heraus, daß sie anscheinend in Frankreich bejagt worden war.
Die Hündin galt nach einigen Vermittlungsversuchen, die alle mehr oder weniger schnell scheiterten als nahezu unvermittelbar; die längste Vermittlungszeit betrug ca. 6 Monate, an deren Ende die Hündin entnervt einem Seminarbesucher mitgegeben wurde, mit der Ansage sie dort, bei einem bekannten deutschen Hundetrainer, zu lassen.
Sie hatte sich von den Menschen abgewandt.
Sie kannte fast nichts.
Sie galt als erziehungs- und ausbildungsresistent.
Sie war nicht sozialisiert.
Sie war nicht stubenrein.
Sie war unverträglich anderen Hunden gegenüber - weil sie es nicht gelernt hatte.
Es war zu schweren Beißereien gekommen, so daß man sie als Einzelhund hielt.
Sie galt als krankhaft hektisch - Bachblüten waren ohne Erfolg angewandt worden. Man überlegte sie auf Ritalin einzustellen, ein Medikament, mit dem man krankhaft unruhige Kinder behandelt.
Das wurde mir ehrlicherweise mitgeteilt, als ich mich für sie interessierte.
Ich hatte die Entscheidung vom Verhalten meines hochsensiblen, aber absolut souveränen Weimaraner Rüden abhängig gemacht.
Jolie wurde für mich aus dem Tierheim geholt, in dem sie inzwischen gelandet war, da sie zu schwierig im Umgang und nach wie vor unnahbar war, in ihre Umgebung, wo man ca. 4 Monate lang versucht hatte, an diesen Hund heran zu kommen.

Erstes Treffen mit Jolie
Jolie lief wie ein aufgeregter Panther in ihrem Auslauf auf und ob und ignorierte die Umgebung. Auch die Tierschützerin, die seit Monaten versuchte mit ihr Kontakt aufzunehmen wurde ignoriert, bzw. so eingeordnet wie ich: wenn Jolie danach war kam sie zum streicheln. Sonst ignorierte sie uns.
Allerdings präsentierte sie sich ansonsten von ihre positivsten Seite, und zeigte nichts von den ihr zugesprochenen Eigenschaften.
Wir schoben ihr Verhalten auf einen verdorbenen Magen und verabredeten uns nochmals für den nächsten Tag.
Am nächsten Tag kam ich wieder mit Dandy vorbei. Jolie schien auf mich gewartet zu haben, war augenscheinlich sehr erfreut meine Stimme zu hören und nahm sofort Kontakt zu mir auf. Dandy gegenüber verhielt sie sich nicht mehr ganz so devot wie am ersten Tag, aber noch okay.
Beim Spaziergang zeigte sie dann, daß sie überhaupt nichts beherrschte. Keine Leinenführigkeit. Keinerlei Gehorsam. Nur wenn man sich auf sie und ihre Bedürfnisse einließ, machte sie mit. Dandy verhielt sich nach wie vor neutral. Was für mich ausschlaggebend war.

Nach einer Kaffeepause beschloß ich also, den Schritt zu wagen und Jolie mitzunehmen. Die Heimfahrt war völlig unproblematisch. Die erste Begegnung mit meiner Mieterin auch. Aber dann kam es:
Jolie beherrschte mit ihren fünf Jahren keine Kommandos. Sie versuchte Dandy das Futter zu klauen. Sprang aus dem Stand über 1,60 m, um die Kaninchen im Nachbargarten zu jagen. Sie geriet in den Jagdmodus und war nicht mehr an sprechbar, sobald sie irgendwo Vögel, Kaninchen oder Eichhörnchen sah. Dabei sprang sie angeleint über Zäune. Geriet bei fast allem in Panik. Erwies sich als raubwildscharf, ohne das Kommando "Aus!" zu beherrschen.
Wenn ich sie in die Auslaufgebiete mitnahm, war sie derart aufdringlich, daß die Leute ihre kleineren oder leichteren Hunde auf den Arm nahmen, die anderen hinter sich versteckten. Effekt war ein 3-facher Bänderriß an meinem
einen Fuß und eine Knochenkontusion mit Knochenmarkschädigung am anderen.
Nachdem all das ausgeheilt war legte ich los.
Ich hatte entschieden, daß es bei einem ehemals bejagten Hund sinnvoller ist am Wild (wohlgemerkt nicht mit Wild!) zu arbeiten, statt auf Alternativen umzuschwenken. Dann habe ich den Grundgehorsam bei ihr aufgebaut, und Dandy brachte ihr die Hundesprache bei.
Heute, nach einem Jahr, ist Jolie ein gut im Gehorsam stehender Jagdhund.
Sie ist sozialisiert.
Sie ist kontrollierbar am Wild.
Schwarzwild und Niederwild sind kein Problem mehr.
Ausnahme ist das Wasserwild. Da würde sie mir noch bei jeder Gelegenheit abgehen.
Sie ist in Niederwildrevieren in kurzer Entfernung zu mir ohne Leine zu führen.
Sie ist im Wald ohne Leine zu führen.
Sie zeigt am Strand ihre natürliche Distanz von ca. 400 m, wobei sie aber auch dort noch auf Sichtzeichen von mir reagiert.
Sie ist eine Klasse-Hündin geworden, die sich einfügt, aber selbstbewußt und sicher geworden ist.
Sie ist anstrengend.
Teils auch nervend durch ihre Art.
Aber sie ist ein toller Hund, den ich niemals mehr missen möchte! Genau so wenig wie mein Weimaraner Dandy, der sehr an ihr hängt und sie leitet, erzieht und beschützt.

Abschließend
Der BF Typ pyrenees ist ein Jagdgebrauchshund, den man niemals durch Alternativaufgaben auslasten kann. Folglich kann man diese Rasse entweder an der Leine führen, was keine Dauerlösung ist, oder in unmittelbarer Nähe frei laufen lassen - sofern man den Jagdtrieb unter Kontrolle bekommt- oder ihr ihre natürliche Distanz lassen.
Aber wo in Deutschland kann man einen Hund auf 400m Distanz rennen lassen?
Wohl nur am Strand, und auch das wiederum nur, wenn der Hund soweit im Appell steht, daß er andere Menschen und Hunde ignoriert.

Update
Seitdem ich Jolie`s und meine Geschichte geschrieben habe ist die Entwicklung von Jolie und mir noch weiter vorangegangen. Etwas, was ich nicht zu hoffen gewagt habe! Jolie hat gelernt auch bei Wildansicht oder Spuren diese anzuzeigen, aber dabei kontrollierbar zu bleiben. Ich lerne gleichzeitig Jolie besser zu lesen und früh genug zu reagieren. Und sie hat gelernt einen 5-15 m Radius um mich einzuhalten, je nach Erfordernis.
Außerdem ist sie dabei zu lernen, auch im Jagdmodus auf Triller Platz augenblicklich auszuführen und auch bei Wildnähe liegenzubleiben. Sie kann inzwischen die einzelnen Pfeifkomandos auseinanderhalten und orientiert sich umgehend daran.
Letztes Wochenende habe ich auch mal eine vergleichbare Rasse, eine Braque du Bourbonnais, bei einer Jugendsuche arbeiten gesehen. Und das vor allem im Vergleich mit verschiedene deutschen Vorstehhundrassen. Der Unterschied ist dabei schon gewaltig und erklärt vieles von Jolie`s Wesen. Vor allem ihre Probleme, sich auf die in Deutschland übliche Arbeitsweise mit einem Hund einzustellen, insbesondere mit einem nichtjagdlichen Hundeführer. Andererseits zeigte mir diese Prüfung aber auch, daß ich Verhalten und Arbeitsweise auf ihre Rassezugehörigkeit geschoben habe, die in Wahrheit in ihrer Persönlichkeit liegen, und die man dementsprechend noch versuchen kann zu verbessern.
Ich habe mich entschlossen, mit dem VBBFL, der in Deutschland die französischen Vorstehhunde betreut, und die mich sehr nett aufgenommen haben, Kontakt zu halten, damit ich auf Prüfungen und Veranstaltungen die Möglichkeit habe, meine Kenntnisse und mein Verständnis zu diesen Rassen weiter zu vertiefen, was meiner Arbeit mit Jolie bestimmt zu gute kommen wird. Denn eins ist klar: Die endet nie!

Alle Fotos von Jolie: Ute Schäfer

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