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Erfahrungen mit dem


Petit Bleu de Gascogne (2)

 

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Petit Bleu de Gascogne Sabu auf dem Weg zum glücklichen Hund
Von Chris Loos

Von Kindesbeinen an hatte ich mir einen Hund gewünscht. Endlich, mit 36 Jahren, ging dieser Wunsch in Erfüllung. Ich wollte einfach nur einen Hund. Das sollte kein besonderer sein, nicht allzu groß und gerne aus dem Tierschutz. Mit Fanny, dem kleinen spanischen Pinschermischlingsmädchen, zog der Sonnenschein bei mir ein. Noch völlig unerzogen machten wir jedoch schnell Fortschritte in Sachen Gehorsam. Fanny lernte mit Begeisterung all die Übungen, die für den Hundeführerschein notwendig waren. Im Nu hatte ich einen richtig tollen Hund. Alles schien uns zuzufallen. Dann entdeckte ich in irgendeiner Hundezeitschrift einen Bericht über das Mantrailing. Mit dem Lesen des Artikel war meine Faszination geweckt. Das wollte ich auch machen! Und just zu diesem Zeitpunkt bot die hiesige Hundeschule einen Kurs an, zu dem ich uns sofort anmeldete. Doch nach nicht ganz zwölf Einheiten war der Kurs zu Ende und wir wieder „arbeitslos“. Aber ich wollte weitermachen und zwar nicht irgendwie, sondern mit „Hand und Fuß“. Ich fand eine Rettungshundestaffel und wurde aufgenommen. Doch die Arbeit mit Fanny gestaltete sich schwierig. Während unseres eigenmächtigen Trainings ohne die nötige Erfahrung hatten sich schwere Fehler eingeschlichen, durch die Fanny die Lust an der Suche komplett verloren hatte.
Bereits lange vorher war klar, dass „ein Hund kein Hund“ ist, und ich in diesem Sinne unser Rudel erweitern wollte. Was lag in Anbetracht meiner Begeisterung für das Mantrailing näher, als einen Hund zu suchen, der sich für die lange und konzentrierte Ausarbeitung einer Spur besonders eignen würde – also: ein Jagdhund der FCI-Klasse 6. Eine Welpe kam aufgrund meiner räumlichen Möglichkeiten nicht in Frage. Mit Tierschutz-Hunden hatte ich, auch durch die anderen Hunde der Familie, schon gute Erfahrungen gemacht.

Dadurch fühlte ich mich genügend gerüstet, nicht nur das Abenteuer Laufhund an sich, sondern es auch mit einem Tierschutzhund zu wagen, zumal ich ihm doch durch die Trailerei eine anspruchsvolle Tätigkeit, die seinen Fähigkeiten entsprach, würde bieten können. So kam über Krambambulli, wo ich meine Suche nach einem Mantrailer hinterlassen hatte, das Petit Bleu de Gascogne-Mädchen Sabu aus Italien als Häuflein Elend, in körperlich und vor allem seelisch desolaten Zustand bei mir an. Ich hatte keine Ahnung von der Rasse, Zeit zum Informieren blieb nicht - denn Sabu musste schnellstens aus Italien ausreisen -, aber ich würde das schon hinkriegen. So erklärte ich mich bereit, sie zunächst in Pflege zu nehmen.
Sie war sehr scheu bis ängstlich, wich meiner Hand aus, nahm keine Leckerli an und ließ so ziemlich alles, ohne irgendeine Regung zu zeigen, mit sich geschehen. Dabei war ihr Blick so völlig starr und beinahe ausdruckslos, dass es für mich zunächst sehr schwierig war, überhaupt irgendeine innere Wärme für diesen in jeder Hinsicht fremden Hund zu empfinden. Sabu stand allem und jedem distanziert gegenüber und war draußen eine absolute Granate. Doch mein Ehrgeiz und ja, natürlich auch mein Mitleid, waren geweckt. Schnell war klar, dass Sabu ihr Zuhause gefunden hatte.
Die erste Zeit war schwer bis sehr schwer. Mal abgesehen von den häuslichen Schwierigkeiten (es dauerte mehrere Wochen bis sie begriff, dass der Teppich kein Hundeklo ist), musste Sabu zunächst Vertrauen zu mir fassen. Ich kann gar nicht mehr sagen, welche Ereignisse die Wende brachten. Zu jeder Zeit bin ich betont ruhig mit ihr umgegangen, habe viel gelobt, aber auch schwierige Situationen nicht vermieden.
So hatte sie beispielweise zunächst Angst in dunkle Treppenhäuser zu gehen. Für manch Außenstehenden mag es herzlos erscheinen, dass ich sie hierbei entschlossen an die Leine genommen und ohne Rücksicht auf ihr Zögern hinter mir her die Treppe hinuntergezogen habe. Sicherlich war in solchen Situationen auch Fanny als souveräner Ersthund eine große Stütze, an der sie sich orientieren konnte. Doch Sabu machte dadurch die Erfahrung, dass ihr an meiner und Fannys Seite auch in unheimlichen Situationen nichts passieren konnte. Und das schien der Schlüssel zu sein. Durch mein sicheres und bestimmtes Auftreten konnte ich ihr Sicherheit geben. Dadurch (und durch Unmengen Leckerli) begann sie, ihr Herz für mich zu öffnen. Und das mit aller Konsequenz.
Sabu ist ein absoluter Einmann- oder treffender Einfrauhund. Sie ist durch und durch auf mich fixiert, dabei sensibel und feinfühlig. Ganz im Sinne des Kurzportraits werden andere Menschen als Leckerlilieferanten bestenfalls zur Kenntnis genommen und ansonsten ignoriert. Sowohl dieses Wesensmerkmal als auch die sich zunehmend stärker entwickelnde „Bindung an ihr Heimterritorium“ machen das Leben mit ihr nicht gerade einfach, z. B. falls man mal auf einen Hundesitter zurückgreifen möchte, der als mehr oder weniger fremd, vom Brackentier nicht in die Wohnung gelassen wird.
Doch zurück zum Anfang: Fünf Wochen nach ihrer Ankunft bei mir durfte Sabu zum ersten Mal mit zum Training. Ganz vorsichtig und behutsam mit vielen Motivationseinheiten wird sie seither aufgebaut. Dabei macht sie ihre Sache ganz hervorragend, sie sucht ruhig, konzentriert und sehr sicher, ganz wie man es von einem Hund mit einer der sprichwörtlich besten Nasen der Welt erwartet
Doch liegt gerade in ihrem zurückhaltenden Wesen die Schwierigkeit begründet, sie für die Menschensuche zu motivieren. Heute sucht Sabu gerne und mit Leidenschaft, steht zähneklappernd vor Erregung am Start, aber sie sucht um des Ausarbeitens der Spur willen und nicht wegen ihrer Freude an der Arbeit mit dem Menschen, wie man es zum Beispiel bei Viszlas oder Labradors beobachten kann. Das kann bei einem Hund, der über Generationen dazu gezüchtet wurde, selbständig und zunächst vom Führer weg zu suchen, auch gar nicht anders sein. Aber das musste ich erst einmal erkennen. Das musste mir erstmal wirklich bewusst werden.
Der Weg zu dieser Erkenntnis hat sicherlich ein Jahr gedauert. Bis dahin las und recherchierte ich unheimlich viel, sog alles in mich auf, was ich über die Rasse, über Laufhunde im Allgemeinen finden konnte. Doch kaum jemand schrieb über Erfahrungen mit Laufhunden speziell beim Trailen. Nun hatte ich sie selbst gemacht. Und dabei vor allem Folgendes gelernt: Selbst ambitioniertes Mantrailing im Rahmen einer Rettungshundestaffel reicht nicht aus, um diesen Hund auszulasten und „glücklich zu machen“.
Denn ein Weiteres kommt hinzu: Ganz im Sinne des ursprünglichen Zuchtziels ist dieser Hund schon allein physiologisch dazu geschaffen weite Strecken zu laufen. Der Name „Laufhund“ ist Programm. Sowohl deshalb als auch aufgrund der Anlage selbständig zu arbeiten, hat sie vor allem auf Wiesen (weniger im Wald) einen großen Radius. Glücklich und zufrieden ist Sabu nur, wenn sie mindestens zwei Stunden mit tiefer Nase über endlose Wiesen traben konnte. Und damit will ich auf folgendes hinaus: Oft liest man auf den Vermittlungsseiten verschiedener Tierschutzorganisationen, dass man den zu vermittelnden Jagdhund wegen des Jagtriebs nicht ableinen könne, er an der Schleppleine gehen müsse, man ihm aber mit entsprechender Beschäftigung, z.B. dem Mantrailing eine adäquate Auslastung bieten könne.
Damit bin ich eigentlich beim Kern meiner bisherigen Erfahrung: Dass ich die diesbezügliche Annahme zumindest für Laufhunde für eine absolute Fehleinschätzung halte. Sicherlich: die gemeinsame Suche mit mir macht Sabu mittlerweile Spaß, aber zufrieden und glücklich ist sie allein damit nicht. Soviel ist klar.
Ein weiterer und ihre geistige Auslastung erschwerender Umstand kommt hinzu: Während andere Hunde begeistert Kunststückchen lernen, Dummies arbeiten oder einfach nur Stöckchen holen, macht sich Sabu aus solchen Sachen nicht allzu viel. Sie sind ein netter Zeitvertreib, mehr nicht. Ihre Begeisterungsfähigkeit wird woanders geweckt: in der Möglichkeit mit tiefer Nase eine Wiese zu erkunden.Auch der Weg, ihr diese Möglichkeit zu bieten, war steinig und mit viel Arbeit verbunden. Über ein Jahr waren wir ausschließlich an der Schleppleine unterwegs. Dabei war es fast unmöglich, ihr Laufbedürfnis zu befriedigen. An das damit verbundene schlechte Gewissen dem Hund gegenüber konnte ich mich nie gewöhnen. Auch wenn ich immer wieder gelesen hatte, dass man einem Hund verschiedene Dinge erst gar nicht weismachen muß. Und das ist sicherlich für viele Sachen richtig.
So dachte ich anfangs, okay, wenn ich sie gar nicht erst an lange Touren gewöhne, wird sie sie auch nicht vermissen. Doch heute, nach anderthalb Jahren mit Sabu, sehe ich das anders. Der Bewegungsdrang liegt in der Rasse begründet. Den unterdrücken zu wollen, käme einer Leugnung, dass die Erde rund sei, gleich.
Heute ist Freilauf und damit ein Ausleben ihres Bewegungsdranges möglich. Fast ein Jahr lang hatte ich an der 30m-Schleppleine (nur auf diese Distanz war es halbwegs möglich ihre Körpersprache zu lesen) Rückruf, Abbruchkommando und Gehorsam mittels Clicker und positiver Bestärkung geübt. Dabei konnte ich lernen, dass sie jedoch am ehesten Gehorsam zeigt, wenn sie als Belohnung das bekommt, was sie am meisten ersehnt: nicht das Leckerli, sondern das „Lauf“ in die Wiese.
Obwohl ich mir nach den Erfahrungen mit ihr sicher bin, dass sie in ihrem früheren Leben nicht intensiv zu Jagd eingesetzt worden war, was mir die Arbeit mit ihr ungemein erleichterte, war ich dennoch überzeugt, dass mein Brackentier bei stärkeren Reizen auf den Superpfiff pfeifen würde und mich allein in Wald und Flur stehen lassen würde. Und irgendwann hatte ich die Schleppleine aus tiefstem Herzen satt. Für mich und vor allem für Sabu. Ich wollte endlich wieder mit freien Händen unterwegs sein und Sabu gleichzeitig vor schmerzhaften Rucken am Geschirr verschonen, wenn die blöde Leine wieder an irgendeiner Wurzel hängenblieb. So gab es für mich nur eine Möglichkeit, Sabu deutlich zu machen, dass mein Einflussbereich über 30 m hinausreicht: ein Sprühhalsband. Dabei baute ich auf die Erfahrung, dass sich Sabu relativ leicht beeindrucken lässt, meine Autorität akzeptiert und meine Kommandos, wenn sie denn mit bestimmter Stimme ertönen, nicht in Frage stellt (Manchmal wird ein solches Verhalten als leichtführig beschrieben, doch das ist es mitnichten, braucht es doch ein ständiges Abwägen zwischen Lob und Druck, von letzterem bloß nicht zuviel, damit der Hund nicht „dichtmacht“ und gar nicht mehr mitarbeitet oder gar das Vertrauen verliert.) Das Ergebnis war so verblüffend wie einfach. Zwei Sprühstöße nach einen ignorierten „Nein!“ reichten aus, um ihr einzuschärfen, dass eigenmächtiges Handeln auch in größerer Entfernung sanktioniert wird. Damit war der Weg zum leinenlosen Spaziergang frei. Doch kein Erfolg ohne Rückschläge. Ich war so naiv zu glauben, dass diese Sprühstöße Sabu auch von sichtig aufspringenden Rehen abhalten. Das war natürlich ein Trugschluß, und so haben wir noch viel Arbeit vor uns.
Doch scheint es mir, als ob ich meinen Hund erst seit er in bekannten Gelände frei laufen darf, richtig kennenlerne. Dadurch dass sie sich frei bewegen kann, kann sie ihre Körpersprache viel deutlicher zeigen. Und nun erst ist es mir möglich, zu beobachten, ob sie sich aufgrund einer interessanten Spur „aufzieht“. Das erst ermöglicht mir, der Situation entsprechend angemessen zu reagieren und sie rechtzeitig zurückzurufen. Aber so wird auch deutlich, dass es mit diesem Hund keine gedankenverlorenen Spaziergänge gibt. Ständig ist volle Konzentration auf beide Hunde, insbesondere Sabu gefordert. Manchmal, nach langen Arbeitstagen, ist das anstrengend; da gibt es durchaus Momente, in denen ich mir einen einfacheren Zweithund wünsche. Auch habe ich mich oft gefragt, ob ich mich nach all den bisherigen Erfahrungen wieder für einen solchen Hund entscheiden würde. Ja, ich glaube schon, denn ihr Wesen, ihre Noblesse, ihre feine Art sind einfach faszinierend. Doch weiß ich auch, dass ich mich nie für einen zweiten Hund entschieden hätte, wenn ich meine ersten Hundeerfahrungen allein mit Sabu gesammelt hätte. Heute überwiegen die Momente in denen ich glücklich bin: weil ich durch sie in Sachen Geduld, Einfühlungsvermögen, aber auch Konsequenz außerordentlich viel lernen konnte und kann. Und ja, ich bin auch ein bisschen stolz auf das, was wir bereits erreicht haben. Mein Traum und Ziel ist es, im Sommer „leinenlose“ Bergwanderungen mit beiden Hunden zu unternehmen. Ob wir es schaffen, wird sich zeigen.
Welchen Rat ich künftigen Petit-Bleu-Besitzern geben würde? Alles was auf dieser großartigen Internet-Seite im Kurzportrait über den Bleu de Gascogne geschrieben steht, kann ich – mit der Einschränkung, dass ein Leben in der Kleinstadt durchaus möglich ist – jeden Tag mehr für den Petit bestätigen und jedem, der mit dieser Rasse liebäugelt, nur wärmstens empfehlen, sich jeden, aber auch wirklich jeden Satz genauestens durchzulesen und vor allem zu verinnerlichen. Denn genau so erlebe ich zumindest eine Vertreterin davon: meine Sabu. Und doch kann ich mich bei all den beschriebenen Schwierigkeiten der Faszination Laufhund nicht erwehren. Das Allerschönste ist, ihr Herz gewonnen zu haben. Ich gebe zu, das schmeichelt ungemein.

Alle Fotos: Chris Loos

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