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Jagd & Jäger in Italien



Der Jäger statistisch gesehen
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Der italienische Jäger statistisch gesehen

Erreichte die Anzahl der Jäger in Italien 1974 den Höchstwert von über 2 Millionen, nahm sie in den folgenden 25 Jahren stetig ab: 1980 - 1.701.853, 1985 - 1.574.853, 1990 - 1.446.935, 2000 - 801.556 um 2002 bei 730.000 aktiven Jagdscheininhabern anzulangen.
(Quelle: ISTAT)
Heute, 2007, stellen Jäger knapp 1% der italienischen Gesamtbevölkerung dar.
Auch die Region ("Bundesland") Emilia-Romagna hat die quantitative Entwicklung ihrer Jägerschaft verfolgt: 1975 waren es 144.300 Jäger, die fast 10% der männlichen, volljährigen Bevölkerung darstellten, 1985 108.663, 1995 bereits nur 66.687 und 2000 schließlich noch 60.024 oder 3,6% der erwachsenen Männer.
Das Assessorat stellte in seiner Untersuchung von 2000 ferner fest, dass 71,5% aller ital. Jäger in Mittel- und Oberitalien wohnen und zahlreicher in solchen Regionen sind, die der Jagd traditionell mehr verbunden sind, nämlich Toskana, Lombardei, Latio und, an 4. Stelle, Emilia-Romagna. Die geringste Anzahl von Jägern trifft man hingegen im Aostatal, Molise und Basilicata an.
Auf gesamteuropäischer Ebene lag, was die Anzahl der Jäger anbetrifft, Frankreich mit seinen ca. 1.500.000 Waidwerkern am 1. Platz, gefolgt von Spanien mit 1.050.000 und an 3. Stelle Italien mit den schon zitierten 730.000 "cacciatori".
(Quelle: La Popolazione dei cacciatori residenti in Emilia-Romagna.)

Einer der ital. Jagdverbände, Federcaccia, wollte vor wenigen Jahren einmal herausfinden, wie viel ihre Mitglieder die Ausführung des Waidwerks pro Jagdsaison durchschnittlich kostet.
737 Jäger aus der Provinz Bergamo wurden folglich interviewt, und dies kam heraus:
130 Euro werden für
Munition ausgegeben, 130 Euro für Schuhwerk und sonstige Bekleidung, 45 Euro für Accessoires, 545 Euro für Anschaffung und Haltung der Jagdhunde, 163 Euro für Tierarztkosten, 250 Euro für die regionale und landesweite Jagdgenehmigung, 100 Euro für die Versicherung und 210 Euro Spritkosten für die Autofahrten vom Heim zu den Jagdorten, insgesamt also 1.573 Euro.
Da die Befragten auch Angaben über Alter und Beruf machten kamen andere interessante Details ans Licht.
Das Durchschnittsalter der Jäger lag bei 60 Jahren.
18,10% von ihnen waren Arbeiter, 4,75% Bauern, 12,34% Freiberufler, 17,62% Kaufleute, 18,41% Angestellte, 2,64% Führungskräfte bei Firmen, 5,17% Unternehmer, 1,05% Studenten/Schüler und 21% Rentner.

(
Quelle: L'Eco di Bergamo, 6.11.03)

Umfassende, aktuelle Erhebungen zum sozio-kulturellen Profil des Jägers, die auch von der Jägerschaft selbst anerkannt werden sind rar.
1987 führte die soziologische Fakultät der Universität "La Sapienza" im Auftrage des ISPES (Istituto di Studi Politici Economici e Sociali) eine Untersuchung mit 1.970 Waidwerkern durch, die viele herrschende Vorurteile widerlegte.
So wurde festgestellt, dass über 60% der Jagdscheininhaber die Mittel- oder Oberschule absolviert hatten (gegenüber den 37% bei der Gesamtbevölkerung) und 5,6% einen akademischen Titel besaßen.
Die Verteilung auf die verschiedenen Berufe entsprach dem Landesdurchschnitt.
Politisch stand der Jäger eher links oder in der Mitte und maß Fragen im Gesundheits,- und Bildungswesen sowie der Arbeitslosigkeit große Bedeutung bei. (Quelle: Chi siamo?)
Das erstaunlich hohe Durchschnittsalter der Jäger und der große Anteil an Rentnern hat seine Gründe. Wie wir an anderer Stelle noch genauer sehen werden ist die italienische Jagdsaison recht kurz: 55 Tage. Die Jagsausübung ist ausschließlich bis Sonnenuntergang gestattet. Wer von Montagmorgen bis Samstag- oder zumindest Freitagabend seinen Beruf ausüben muß, kann bestenfalls am Wochenende jagen gehen. Und wer will schon viel Geld ausgeben, um vielleicht ein Dutzend mal im Jahr zur Jagd gehen zu können?
Was sich in der Statistik "Kaufleute" nennt sind vielfach Besitzer kleiner Läden, und die können es sich eben erlauben ihr Geschäft auch in der Woche mal in die guten Hände anderer Familienmitglieder zu legen; wenigstens vormittags.
Ähnliches gilt vermutlich für die Angestellten und Arbeiter: wer irgendwie in Lohn und Brot seiner Familie steht, dem wird niemand verwehren, auch wochentags zur Jagd zu ziehen, zumal ja früher oder später alle etwas vom Braten abbekommen. Die Vogeljagd ist außerdem ein sehr lukratives Geschäft; Restaurants und Läden bezahlen erstaunliche Summen für die winzigen Vögelchen, die dann wenig später die dampfende Polenta zieren werden....


(c) Text: 2007

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Wo wird gejagt?

1. Jagdräume im Heimterritorium (ATC: Ambiti Territoriali di Caccia)
In den "guten alten Zeiten" gab es nur relativ wenige Einschränkungen, und in Italien florierte das, was Tier- und Umweltschützer "Jagdnomadismus" nannten und so definierten: "il cacciatore" jagte wo und was er wollte - mit entsprechenden Konsequenzen für Wildbestände und Umwelt, gab es doch z.B. im Jahr 1974 die schwindelerregende Zahl von 2.370.024 Jägern im Lande.
Anfang 1992 versuchte deshalb eine neue Gesetzgebung und die Gründung von ATCs (Ambiti Territoriali di Caccia, ungefähr übersetzbar als Jagdräume im Heimterritorium) den Jäger vorwiegend an den eigenen Heimatbereich zu binden. In allen Regionen ("Bundesländern") und ihren Provinzen boten nun also zahlreiche ATCs, in denen sich benachbarte Gemeinden zusammengeschlossenen hatten, bejagbare Zonen von 10-15.000 ha an. Die große Hoffnung war, dass die Jäger diese Zonen durch regelmäßige Nutzung kennen und wertschätzen lernen und darum

auch schützen und pflegen würden. Selbstdisziplin sollte entstehen,
Respekt für Fauna und Flora. Genaue Kenntnis über Dichte und Zustand der Wildbestände in jederATC sollte überdies angemessene "Abschußpläne" ermöglichen, Regeneration für schwache Populationen...
In Wirklichkeit erreichten die meisten ATCs rasch Größen von mehreren 100.000 ha, die regionale Gesetzgebung erlaubte dem Jäger weiterhin den Zugang zu Jagdräumen anderer Heimterritorien, und er konnte nach wie vor in anderen Provinzen und Regionen jagen gehen. Aber nicht nur die angestrebte Bindung des Jägers an ein bestimmtes, überschaubares Territorium ist gescheitert, sagen Jagdgegner. Um festlegen zu können, wieviele Stücke einer Wildart pro Saison geschossen werden dürfen ohne ihr Fortbestehen zu gefährden, muß zunächst ein
mal bekannt sein, wieviele Tiere aktuell überhaupt vorhanden sind, wie groß ihre Vermehrungsrate ist usw. Erhebungen über standorttreues Wild könnte man vergleichsweise einfach machen. Bei den in Italien mit solcher Leidenschaft bejagten Migratoren hingegen sieht der Fall völlig anders aus. Ohne wissenschaftliche Daten über die Populationsdichte- und dynamik der einzelnen Vogelarten in Gesamteuropa und Afrika sind bloße nationale "Abschußpläne" eine Absurdität. Oder besser gesagt: eine tödliche Gefahr für viele Arten. (Quelle: Dossier caccia)
Natürlich fehlt es nicht an Gesetzen sogar auf EU-Ebene. Frage ist, wie man sie auslegt. Oder wie mein betagter Nachbar einmal sagte: "Wenn wir hören, das ist Gesetz, fangen wir sofort fieberhaft an zu überlegen, wie wir es unbemerkt umgehen können."
Italien ist übrigens das einzige Land der Welt, das seinen Jägern erlaubt, in private Grundstücke einzudringen, und zwar ohne Erlaubnis des Besitzers und gegen dessen Willen. Diese Regelung wurde im 2. Weltkrieg ins Grundgesetz aufgenommen, um die Kriegsvorbereitungen Italiens zu begünstigen und ist, so argumentieren die Grünen, wohl die Hauptursache für das herrschende "anarchische Jagdwesen".
(Quelle: Federazione dei Verdi. Caccia)
In der Tat muss, wer in Italien fatalerweise in einem ATC lebt und vermeiden will, dass ihm fremde Jäger und Hunde über den englischen Rasen laufen, seinen Grund und Boden hoch und stabil umzäunen und nachweisen, dass anderer Leute Jagdausübung seine Geschäfte stört.
Ich selbst wohne inmitten eines weiträumigen ATC, und wenn hier am 1. Oktober die Wildschweinjagd beginnt, wimmelt es nur so von alte Jeeps oder nagelneuen Geländewagen, überall sind Jäger, das
aufgeregte Geläut der Hunde schallt durchs Tal, und wenn ein Schuss fällt,
hoffen meine Nachbarn stets auf einen Treffer. Die Wildschweine richten so viele Schäden in den Heuwiesen, Kartoffelfeldern und Gemüsegärten an, dass jede tote Sau bejubelt wird.

Um es zusammenzufassen: ein Jäger, der seinen Wohnsitz in unserer Gemeinde hat, kann in der zugehörigen ATC während der Saison jede erlaubte Art der Jagd ausüben.
Bestimmte Jagdarten, hier bei uns etwa die Wildschweinjagd mit Laufhunden, sind fast ausschließlich den einheimischen Waidmännern vorbehalten. Getreu dem Motto: ein jeder erlege die Sau vor der eigenen Haustür. Hasenjagd mit Laufhunden, Federwildjagd mit Vorstehhunden und Vogeljagd von festen Ansitzen aus hingegen können auch Jäger aus benachbarten Provinzen oder gar anderen Regionen ("Bundesländern") hier praktizieren. So kommt es, dass nahezu alle festen Ansitze bei uns Jägern aus dem fernen Bergamo und Brescia gehören; zur Wonne der lokalen Gaststätten, denn irgendwo müssen die Herren ja zwischendurch essen und schlafen. Die Federwildjagd ist bei meinen Nachbarn auch wenig gefragt, weshalb die Setter und Epagneuls, die durch unsere Heuwiesen und Wälder galoppieren, Fasan, Wachtel und Schnepfe auf der Spur, meist aus ganz anderen Gegenden stammen.
2. Kommerzielle Jagdreviere
Angesichts der vielerorts minimalen Wildbestände kann, wer unbedingt reiche Beute machen will, natürlich in die sg. Jagdtourismusbetriebe gehen. Das ist ein geeignetes Stück Privatland, dessen Eigentümer dank entsprechender Genehmigung dort jagdbares Wild züchten und von Jägern schiessen
lassen darf. Oft, so behaupten Tierschützer, 365 Tage des Jahres. Ohne Schonzeiten, ohne Rücksichten irgendwelcher Art
auf das Wild. Wobei der Störfaktor für die Fauna noch dadurch potenziert wird, dass natürlich auch Hunde mitgebracht werden, einzeln oder in Meuten, zur effektiven Jagd oder nur zur Ausbildung. Was das italienische Landesgesetz ausdrücklich verbietet, wird von einigen Regionen erlaubt: der Jäger muß dort niemandem Rechenschaft darüber ablegen, wieoft er jagen geht, was und wieviel er schiesst. (Quelle: Le difformità sulla legge caccia e fauna)

Die Werbung solcher "Reviere" liest sich z.B. so:
"Das Revier bietet über 150 ha vollständig umzäuntes Gelände, von der Natur auf unnachahmliche Weise gestaltet, wo Sie Ihre Jagdleidenschaft bei der Verfolgung natürlich gezogenen Wildes befriedigen können. Jagdbar sind: Fasan, Rebhuhn, Rothuhn, Ente, Wachtel, und für Freunde der Hetzjagd besteht die Möglichkeit, den Genuß eines echten Wildschweintreibens wiederzuentdecken, oder die Hasenjagd mit der eigenen Jägergruppe und den treuen vierbeinigen Freunden, auch und
vor allem in den Abschnitten des Jahres in denen der Jagdkalender dies nicht erlaubt."
Natürlich muß der Waidmann in die Tasche greifen, bevor er das Gewehr anlegen darf; auch während der Saison. Im Jagdjahr 2003/04 z.B. bot ein süditalienischer Jagdtourismusbetrieb seinen Kunden folgendes:

Jagd auf Standwild: Fasan - Rebhuhn - Steinhuhn
> Preise für Werktage bei einer Abschußquote von 50 Stück: 950,- Euro
> Preise für Werk-und Feiertage bei einer Abschußquote von 50 Stück: 1050,- Euro

Die Preise berechtigen zum Abschuß von 50 Stück Wild frei wählbar zwischen Fasan, Reb- und Steinhuhn an maximal 6 Werktagen, oder 3 Werk- und 3 Feiertage; der Samstag gilt als Feiertag.

> Preise für Werktage bei einer Abschußquote von 100 Stück: 1800,- Euro
> Preise für Werk-und Feiertage bei einer Abschußquote von 100 Stück: 2000,- Euro

Die Preise berechtigen zum Abschuß von 100 Stück Wild frei wählbar zwischen Fasan, Reb- und Steinhuhn an maximal 10 Werktagen, oder 5 Werk- und 5 Feiertage; der Samstag gilt als Feiertag.
Die Preise schließen die Assistenz eines unserer Jagdbegleiter ein.
Krankgeschossenes und nicht gefundenes Wild ist als erlegt zu bewerten.
50% des Preises muß bei Buchung bezahlt werden, die verbleibenden 50% am ersten Jagdtag.
> Tagespreise:
Eintritt für max. 2 Jäger.
Mindestens 5 Stück hochgemachtes Wild (Fasan - Rebhuhn - Steinhuhn): 100,- Euro werktags, 120,- Euro feiertags.
Für jeden zusätzlichen Jäger: 15,- Euro werktags, 18,- Euro feiertags.
Für jedes zusätzlich geschossenes Stück: 20,- Euro werktags, 22,- Euro feiertags.
Für jeden Hasen: 130,- Euro werktags, 150,- Euro feiertags.

(Quelle: Azienda faunistica-venatoria)
3. Fazit
Das klassische deutsche Jagdrevier ist, wie man sieht, den Italienern völlig fremd. Niemand muß selbst ein Territorium pachten oder gut Freund mit einem Pächter sein, um die Jagd ausüben zu können. Niemand ist verpflichtet, sich um die Gesundheit des Reviers und seiner Wildtierpopulationen zu kümmern. Aber bevor die Germanen nun neidvoll seufzen: die "freie" Jagd hat eben auch Nachteile. Angefangen bei der praktischen Unmöglichkeit, zu kontrollieren, wieviel und was jeder der heute rund 750.000 Jäger täglich erlegt, hin zu den Konsequenzen für das Wild und seinen Lebensraum, wenn kontinuierlich neue Gruppen von Jägern und Hunden durch ein Territorium stapfen bzw. fahren, ohne die geringste Kenntnis welche Tierarten - außer den gesuchten - hier überhaupt leben, ohne Wissen über Wegenetze in Wiesen und Wäldern, Wildwechsel, Unterstände des Wildes, Bäche wo ein erschöpfter Hund auch mal trinken könnte, bis schließlich zur fast vollständigen Gleichgültigkeit für eben dieses Territorium.
Der Jäger, der nach vielleicht zwei, drei Stunden Autofahrt am Feldrand aussteigt, möchte bestenfalls vor allem seinen Hund arbeiten sehen, aber in der Regel dabei auch Beute machen. Ihn wird es nicht im geringsten interessieren, ob der Wald, in den er eindringt gesund ist, das Wasser im Bach verseucht, die Reifenspuren seines Geländewagens in der Heuwiese den Besitzer verärgern, ob sein Hund bei der Suche nach der Schnepfe anderes Wild beunruhigt oder gar hetzt. Und er wirft leider nur zuoft die Verpackung seines Frühstücks samt leerer Plastikflasche und Zigarettenschachtel gleichgültig auf den Boden. Viele tausend Male an jedem der ca. 55 Jagdtage.

Fotos: Andreas Bock 1; Mario Draghi 2, 4; Sabine Middelhaufe 3; Anke Lange 5, 6.

(c) Text: 2007

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