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Rutenkupieren beim Jagdhund - die Situation in Italien

 

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Rutenkupieren beim Jagdhund - die Situation in Italien
Von Lucio Marzano

In Italien besteht eine extrem intollerante Beziehung zwischen der Welt der Jagd und jener des Tierschutzes. Auf der einen Seite hatte in der Vergangenheit ein sehr offenes Konzept der Jagd praktisch jedem erlaubt im gesamten nationalen Territorium spottbillig zu jagen und so Personen Zugang zum Waidwerk ermöglicht, die in keiner Weise dafür vorbereitet waren, lediglich an der Strecke interessiert waren und letztlich aus unserem Land eine wahre faunistische Wüste gemacht haben. Durch eine neue Gesetzgebung wurde die Jagd daraufhin territorial begrenzt, man führte strenge Jagdkurse- und prüfungen ein, und der Besitz geschützter Tierarten, auch ausgestopft, wurde verboten.
Dank dieser notwendigen gesetzlichen Eingriffe entwickelt sich nun eine Jagdkultur, die versucht, Abschüsse entsprechend der realen Wilddichte vorzunehmen und die Habitate des Wildes zu schützen. Die Tier- und Umweltschützer auf der anderen Seite akzeptieren aber zumeist überhaupt keine Form der Jagd; für sie ist die Jagd eine Barbarei und sollte einfach vollständig abgeschafft werden.
Nach einer längeren Konfliktphase, in der die Tierschützer aufgrund der oben genannten Gesetzgebung meistens die Oberhand gewannen, und ebenso aufgrund des Rückganges der Landwirtschaft in benachteiligten Regionen hat inzwischen eine abnorme Zunahme des Schalenwildes stattgefunden, die die Landwirtschaft dermassen belastet, dass die kontrollierte und vernünftige Bejagung heute als echte Notwendigkeit akzeptiert wird.

Startfoto: Sophia, Bracco Italiano aus frz. Zucht. Foto: Sabine Middelhaufe
Oben: Allegro del Campo di Pini, genannt Ezzo, Bracco Italiano aus dts. Zucht. Foto: Harald Koska

Unten
: Cesare und Luciano, Bracchi aus ital. Zucht. Foto: Lucia Delor

In diesem konfliktreichen Zusammenhang muss man die Problematik des Rutenkupierens sehen. Für die Tierschützer handelt es sich hierbei um eine Grausamkeit die verboten gehört. Da es ihnen nicht gelungen ist, ein Kupierverbot durch Gesetze auf Landesebene durchzusetzen, versuchen sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit, auf lokaler Ebene Verordnungen zu erreichen, die jede Art der Verstümmelung von Welpen verbietet.
In Italien monopolisiert die ENCI (Verband für das italienische Hundewesen) jede kynologische Aktivität und Verord-nung; alles muss über diese zentrale Organisation laufen, die sich leider als extrem ineffizient erweist.
Die einzelnen Rassezuchtvereine sehen sich deshalb genötigt, auf eigene Faust die Qualitäten und Eigenschaften – so etwa die kupierten Ruten - ihrer Rassen zu verteidigen, während innerhalb der ENCI nun schon seit Jahrzehnten die Vertreter der englischen Vorstehrassen dominieren, die bereit sind, ein Kupierverbot hinzunehmen, um dafür im Austausch von den Tier- und Umweltschutzorganisationen andere Zugeständnisse zu erhalten.

Man muss sich nur einmal vorstellen, dass die SABI (Verein Bracco Italiano) und der CISP (Verein Spinone) vor mehr als 10 Jahren Veränderungen der Rassestandards vorgeschlagen haben, die seitens der ENCI noch heute nicht offiziell gemacht worden sind.
Bei der Ausstellung der Stammbäume (A.d.Ü.: ebenfalls ein Monopol der ENCI) sind wir inzwischen bei Wartezeiten von über einem Jahr angelangt, und doch werden Entscheidungen bei der ENCI nach wie vor von den üblichen Machtgruppen getroffen, die die zwei englischen Rassen vertreten, Rassen die in Italien zwar zahlreich sind, aber doch nur ein Siebtel aller im Zuchtbuch unseres Kennel Clubs eingetragenen Hunde ausmachen.

Oben: Pepi, junger Spinone aus holl. Zucht. Foto: Katja Locke
Unten: Brik, Spinone aus ital. Zucht. Foto: Andrea Adigrat

Nun, das Kupierverbot wäre für die beiden italienischen Vorstehhunderassen, Bracco Italiano und Spinone, eine Beeinträchtigung und Gesundheitsschädigung, denn da die Rute bei beiden Rassen seit Jahrhunderten gekürzt wird und nie eine Selektion im Hinblick auf die Rute stattgefunden hat, präsentiert sie sich unkupiert übermäßig lang und dick.
Die Arbeitsweise beider Rassen verlangt, dass die Hunde bei Aufnahme von Wittrung heftig und horizontal wedeln, wie ein Metronom, und man kann sich die Konsequenzen vorstellen, die dies bei der Jagd im dickichtreichen Wald etwa nach Fasanen und Schnepfen hat.

Oben: Gastone di Cacciola, Bracco Italiano aus belg. Zucht. Foto: Harald Koska
Unten: Julian, junger Bracco aus ital. Zucht. Foto: Sabine Middelhaufe

Die Rassevereine versuchen ständig dem Gesetzgeber die Notwendigkeit der Kupiererlaubnis für unsere Jagdgebrauchshunde klar zu machen, doch wie bereits erwähnt schliesst sich der Zentralverband für das italienische Hundewesen dieser Logik und berechtigten Forderung nicht an, und so finden wir uns in regelmäßigen Abständen mit der Bemühung konfrontiert, das Kupieren ohne die geringste Differenzierung und ohne gründliche Untersuchung der Sachlage durch Verordnungen oder Gesetze auf nationaler, regionaler oder provinzieller Ebene zu verbieten.
Ein Argument, das Befürworter des Kupierverbotes immer wieder ins Feld führen, ist die Tatsache, dass der Segugio Italiano (ital. Laufhund) mit langer Rute jagt. Sie bedenken dabei freilich nicht, dass der seit jeher unkupierte Segugio eben deshalb eine entsprechend kurze Rute besitzt, die nur bis zum Sprunggelenk reicht, und vor allem übersehen sie, dass dieser Segugio zu 90% für die Hasenjagd eingesetzt wird, die bei uns keine intensive Arbeit im Gebüsch verlangt, während die Rasse, die unbedingt in dichtestes Unterholz und Dornengestrüpp eindringen muss, nämlich der Segugio Maremmano (Laufhund für die Wildschweinjagd), seit jeher eine kupierte Rute hat...
 
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