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Der Spinone in Europa:
Interview mit Marco Lozza


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Der Spinone in Europa: Interview mit Marco Lozza, Präsident des Club Italiano Spinoni (CISP)
Von Sabine Middelhaufe

Signor Lozza, beginnen wir mit einem kleinen Kuriosum: während der Begriff “Bracco” im Italienischen eine allgemeine Bezeichnung für den Vorstehhund ist und die Beifügung “Italiano” dazu dient, den Bracco Italiano beispielsweise vom Bracco Francese zu unterscheiden, ist der Name Spinone einzigartig. Es gibt auf der ganzen Welt keine andere Hunderasse die Spinone heisst.
- Warum also die Bezeichnung "Spinone Italiano"?

M.L.: Man sollte ihn nur mit dem Namen Spinone bezeichnen und das Adjektiv “Italiano” weglassen, da diese Rasse reine und nur italienische Ursprünge hat.

Seit einigen Jahren geniesst der Spinone eine wachsende Verbreitung in Europa. Gegenwärtig liegt die jeweils ungefähre Zahl von Zuchtstätten bei 15 in Deutschland, 5 in Dänemark, 8 in Schweden, 4 in Finnland und 9 in Holland. Bezieht man noch die anderen Länder mit ein sind es mehr als 60 Zwinger. Der Club Italiano Spinoni listet 34 Züchter im Urspungsland.
- Was halten Sie ganz allgemein von der Tatsache, dass die Rasse ins Ausland geht und dass es inzwischen mehr ausländische als italienische Spinone Züchter gibt?

M.L.: Die aktualisierten Daten der ENCI bezüglich der Anzahl von in Italien tätigen Züchtern mit anerkanntem Zwingernamen geben 41 an.
Die Tatsache, dass der Spinone im Rest der Welt in beträchtlicher Zahl gezüchtet wird, sehe ich sicherlich als positiv an.
Da der Spinone jedoch eine autochthone italienische Rasse ist, hätten wir gern, dass er unter uneingeschränkter Beachtung der offiziellen Rassestandards und rigoroser Beibehaltung seiner morphologisch-funktionalen Qualitäten gezüchtet und selekiert wird.

Marco Lozza.

In Italien wird der Spinone eindeutig als Jagdgebrauchshund gesehen und gezüchtet.
-  Könnten Sie einmal kurz die Arbeit der Rasse darlegen und damit ihre Besonderheiten und Stärken?

M.L.: Seine morphologischen Merkmale, sein Charakter, seine Intelligenz und seine Anpassungsfähigkeit an die verschiedenen Jagdarten machen einen sehr vielseitigen Jagdgehilfen aus ihm. Körperliche Robustheit und große Widerstandsfähigkeit sind primäre und unverzichtbare Qualitäten beim Spinone.
Der Spinone, eine kontinentale Vorstehhunderasse, kann getrost jede Jagd in jeder Art von Gelände und Umwelt ausüben. Als zäher Jäger mit ausdauernder, sorgfältiger und äußerst einträglicher Suche, ist er in der Lage, auch noch die schwächste Witterung wahrzunehmen, die ihn zur Begegnung mit dem Wild führen könnte.
Der Spinone steht fest und ausducksvoll vor; er drückt dabei nie Härte aus und nimmt keine katalektischen Haltungen an.
Der Apport des geschossenen Wildes und das Suchen und Bringen des verletzten Stücks sind bei dieser Rasse angeborene Fähigkeiten, die zu Lande wie zu Wasser mit äußerster Entschlossenheit ausgeführt werden.
Spinone und Bracco Italiano besitzen eine, so kann man sagen exklusive Eigenschaft unter den Vorstehhunden: ihre Suche vollzieht sich nämlich im Trab. Es ist dies eine Gangart, die ihnen erlaubt, eine Suchgeschwindigkeit zu enfalten, die sie auch - oder fast - beim Galoppieren erreichen würden, und es ist genau dank dieser typischen Bewegung, die, um einen Begriff aus der Mechanik zu verwenden, mehrere Gänge aufweist, dass der italienische kontinentale Vorstehhund für etliche Stunden ertragreich und mit klarem Kopf weiter jagen kann.

Scheinbar ist es für manchen ausländischen Spinone Besitzer schwierig, die besondere Gangart dieses Hundes, also den Trab, zu verstehen und zu wertschätzen, der doch für die italienischen Rasseliebhaber so wichtig ist und als Ausdruck der Mentalität des jeweiligen Hundes betrachtet wird.
- Würden Sie uns die Wichtigkeit des Trabs und diese Idee der Mentalität, die er ausdrückt, einmal erklären?

M.L.: Stellen wir erst einmal klar, dass der Trab des Spinone keine Frage von Italianität ist, sondern ein ureigenes Merkmal, das in seinem Arbeitsstandard, an den man sich gewissenhaft halten muss, angegeben ist.
Aber man muss bezüglich dieser typischen Gangart einige Überlegungen vorausschicken: alle Rassen können traben, genauso wie alle Rassen galoppieren können. Da der Trab eine Zwischengangart zwischen Schritt und Galopp ist, wird er von Vierbeinern verwendet, um bei langem Laufen von einem Ort zum anderen Energie zu sparen und dabei ergibt sich eine Gangart, die man als "Transfer-Trab" bezeichnen könnte.
Der Trab hingegen, den die beiden italienischen Rassen benutzen, wird von maßgeblichen Quellen als "angetriebener Trab" definiert, also einer Gangart, die sehr viel schneller ist, als der "Transfer-Trab". Dank des kraftvollen Antriebs der Hinterhand ist die erzielte Geschwindigkeit in der Tat mit der des Galopps vergleichbar.
Diese typische Gangart schafft beachtliche Vorteile, sowohl im Hinblick auf die Ausdauer als auch bezüglich der Funktionalität der durchgeführten Suche. Beim Gebrauch seiner typischen Gangart trägt der Spinone den Kopf erhoben, da der Antriebsschub einzig von der Hinterhand gegeben wird, wodurch ihm die Beweglichkeit von Hals und Kopf erlaubt bleibt, was ein erfolgreicheres Finden der Witterung begünstigt.
Man kann also sagen, dass die Gangart schnell, ausdauernd, funktional beim Auffinden der in der Luft schwebenden Witterung und ästhetisch sehr spektakulär ist. Und folglich müssen wir sie unbedingt unverändert erhalten.

Der verlängerte Trab.

Geschichte und Entwicklung des Spinone sind eng mit der des Bracco Italiano verbunden.
- Wenn heutzutage aus zwei Spinoni auch Welpen mit recht kurzem Haar, sehr tiefen Lefzen, äusserst ausgeprägter Divergenz der Schädel-Schnauzen-Linien, also eher einer allgemeinen Erscheinung des Bracco geboren werden, ist das ein seltenes Ereignis, das auf der Kreuzung von Bracco und Spinone in weit zurückliegender Vergangenheit beruht? Und wie schätzt Ihr Verein diesen Nachwuchs ein, d.h. werden solche Hunde in jedem Falle als Spinoni betrachtet und erhalten den Pedigree der ENCI (Verband für das italienische Hundewesen)?

M.L.: Nein! Der Spinone ist Spinone, der Bracco italiano ist Bracco italiano. Sie werden zwar als Cousins betrachtet, doch als vollkommen verschiedene Rassen, die nur eine Eigenschaft gemeinsam haben: den Trab nämlich. Aber wie bei allen Rassen, auch wenn sie einen Pedigree haben, können typische oder untypische Vertreter geboren werden; es wird die besonnene und gewissenhafte Zuchtauslese unter vollkommener und absoluter Beachtung des Standards sein, die über ihren Wert oder dessen Fehlen entscheidet.

- Bleiben wir noch einen Moment bei der Rassegeschichte: als der Spinone in den 1940er und 50er Jahren seine Renaissance erlebte, welche Rassen wurden da für die Schaffung neuer Zuchtstämme verwendet? Oder griff man ausschließlich auf noch vorhandene Spinoni zurück?

M.L.: Ehrlich gesagt glaube ich, dass man nicht ausschließen kann, dass in jenen Jahren bei der Zuchtauslese des Spinone gelegentlich auf die Zufuhr von Blut anderer Rassen zurück gegriffen wurde. So wie es übrigens bei fast allen Ethnien geschehen ist. Historisch gesehen kann ich nur bestätigen, dass die damaligen Akteure, Personen von unzweifelhafter Fähigkeit und Kompetenz, versuchten, das beste vorhandene Genmaterial zu verwenden und schmeichelhafte Ergebnisse erzielten, vor allem im Bereich der morphologischen Typhaftigkeit.

Spinone in Vorstehhaltung.

Bei jeder Rasse, die ihr Ursprungsland verlässt, ist es so, dass sie in der neuen Heimat an die Bedürfnisse der dortigen Besitzer und Hundeführer angepasst wird. Verschiedene dieser neuen Länder brauchen auf Grund ihres Jagdsystems einen Allrounder, weshalb einige Züchter dort scheinbar das “Arbeitsprofil” des Spinone verändern, nicht nur im praktischen Jagdgebrauch, sondern möglicherweise auch durch Zuchtwahl.
- Gibt es für Sie da eine rote Linie, die man diesbezüglich nicht überschreiten sollte? Angenommen, ein Spinone würde bei der Drückjagd auf Reh- oder Schwarzwild eingesetzt – wäre das eine wünschenswerte Modifizierung? Und wäre Ihrer Ansicht nach ein für die spurlaute Verfolgung des Hasen gezüchteter Spinone in Ordnung? Wie sehen Sie die – angebliche oder tatsächliche – Schwierigkeit mancher Rassevertreter bei der Wasserarbeit?

M.L.: Was den ersten Teil der Frage betrifft, also meine Meinung zum andersgearteten Einsatz oder Gebrauch des Spinone bei der Jagd außerhalb Italiens, erkläre ich mich als absolut dagegen. Ich wiederhole es noch einmal: der Spinone hat einen sowohl von der ENCI als auch von der FCI anerkannten Arbeitsstandard und an diesen muss man sich uneingeschränkt halten.
Für andere jagdliche Aufgaben möge man sich an jene Rassen wenden, die eigens für solche Zwecke gezüchtet sind.
Der Apport des geschossenen Wildes und das Suchen und Bringen des verletzten Stücks sind, wie ich schon sagte, in dieser Rasse angeborene Fähigkeiten, die zu Lande wie zu Wasser mit äußerster Entschlossenheit ausgeführt werden. Also sind Rassevertreter, die Abneigung gegenüber der Wasserarbeit zeigen mit Sicherheit unerwünscht.

Obwohl es mitunter auch in Italien Spinoni an der Obergrenze der Widerristhöhe und mit etwas zu reichlichem Fell gibt, bevorzugt der Jäger letztlich die Durchschnittsgröße und ein rustikales, pflegeleichtes Haarkleid. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass dagegen im Ausland oft die übergroßen Spinoni, auch mit weit mehr als 70 cm Widerristhöhe, und recht langem, üppigem Haar bevorzugt werden, weil sie beeindruckender wirken. Die Idee scheint zu sein, dass ein großer, “haariger” Hund einfach mehr hermacht.
- Wäre es für Sie akzeptabel, wenn auch beim Spinone eine reine Schönheits- und Ausstellungszucht entstünde – oder sich ausbreiten würde – so wie es zum Beispiel beim Cocker Spaniel und Irish Setter geschehen ist?

M.L.: Was das Fell des Spinone angeht, so muss es überall rau sein, glatt und gut am Körper anliegend, trocken und nie fettig, von einer Länge zwischen 4-5 cm, kürzer an den Läufen und absolut ohne jegliche Fransen, sehr kurz auf dem Schädel, recht lang und rau auf dem Fang.
Die Widerristhöhe des Rüden liegt zwischen 60 - 70 cm, bei der Hündin zwischen 58 und 65 cm.
Da der Spinone selbstverständlich ein Hund ist, dessen Funktion, die ja den Typ hervorbringt, die Jagd ist, sollte sich die Zuchtauslese am Gebrauch der mittleren Größen orientieren, ohne allerdings Vertreter der maximalen Größe auszuschließen, sofern diese ihre Funktion unverändert erfüllen können.

Spinone in Vorstehhaltung.

Im Gegensatz zu Italien ist es in vielen anderen europäischen Ländern Vorschrift, dass ein Hund, bevor man ihn in der Zucht einsetzt, untersucht wird, um zu bestätigen, dass er keine oder nur leichte HD und ED hat. Der ausländische Käufer verlangt einen Welpen von gesunden Eltern.
- Welche Bedeutung gibt man dem Thema Dysplasie beim Spinone in Italien?

M.L.: Gegenwärtig weckt die Rasse diesbezüglich in Italien keine besondere Sorge. Der Gebrauch von Zuchttieren, die in der Jagdpraxis systematisch geprüft werden, ist auch die beste Garantie für die physische Leistungsfähigkeit unserer Hunde und die Abwesenheit von Erbkrankheiten, die ihre körperliche und athletische Integrität aufs Spiel setzen könnten. Denn wenn ein Hund Athlet ist, in der Lage, für viele Stunden, Tag für Tag systematisch zu jagen, darf man annehmen, dass dieser Hund gesund ist und nicht von Mißbildungen oder anderen Fehlern betroffen, die seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen würden.
Ich verstehe bestens, dass diese These wie eine Art Alchemie erscheinen kann und nicht mit den modernen und überzeugenden tierärztlichen Untersuchungen bezüglich dieser Erbkrankheiten im Einklang steht. Ausserdem trifft auch zu, dass heute Hunde in der Zucht eingesetzt werden, die nicht jagdlich verwendet werden und deshalb mögliche Träger solcher Krankheiten sein könnten.
Ich glaube also, dass der Moment gekommen ist, auch in Italien den Protokollentwurf zur tierärztlichen Prüfung der An- oder Abwesenheit solcher Krankheiten zu überlegen.

In einigen Ländern Europas ist das Rutenkupieren inzwischen vollkommen verboten, während es in anderen nur erlaubt ist, wenn der Welpenkäufer nachweist, dass er Jäger ist und den Hund bei der Jagd einsetzen will.
- Die erste Frage muss natürlich lauten: was ändert sich, wenn der Spinone eine lange Rute behält? Beeinflusst sie den Trab? Verändert sie die Bewegung des Hundes?
Angesichts der deutlichen Bevorzugung unkupierter Hunde im Ausland und der Bereitschaft der dortigen Züchter, “intakte” Welpen zu liefern, sehen Sie eine Abnahme der Verkäufe italienischer Hunde ins Ausland voraus?
Und schließlich: wenn die italienische Gesetzgebung das Rutenkupieren ausnahmslos verbieten sollte, besteht die Gefahr, dass etliche Züchter den Spinone aufgeben werden?

M.L.: Das Kupieren der Rute ist unerlässlich für die Arbeit des Spinone. Die lang belassene Rute schafft dem Hund eine beträchtliche Schwierigkeit, indem sie seine funktionalen Fähigkeiten, wenn diese in dicht bewachsenen Terrains ausgeführt werden, verringert.
Kommt hinzu, dass der Traber seinen Gang rhythmisiert, indem er die Rute im selben Takt bewegt wie seine kraftvollen Schritte, und das wird mit der langen Rute nicht gehen.
Der Rückgang der Verkäufe von in Italien gezüchteten Hunden mit kupierter Rute ins Ausland könnte ein Risikofaktor sein, aber trotzdem können wir deshalb nicht akzeptieren, auf die typische Bewegung des Spinone mit seinem rhythmischen Rutenschlag, den wir alle kennen und schätzen und der seit Jahrhunderten Gegenstand akurater Zuchtauslese ist, zu verzichten.
Auf Ihre dritte Frage antworte ich ganz entschieden: nicht nur einige Züchter werden aufhören zu züchten, sondern die heutigen Führer werden die Rasse aufgeben und damit den Spinone ernstlich der Gefahr des Aussterbens aussetzen.

Spinone a coda integra.

Im europäischen Ausland wird der Spinone mehr als Familien- und Sporthund verwendet, denn als Jagdhund, da man festgestellt hat, dass er dank seines sanften Wesens und seiner äußerst feinen Nase ein guter Gefährte, ein tüchtiger Mantrailer und sehr gut für das Dummy-Training geeignet ist.
- Halten Sie dies für eine beunruhigende Entwicklung, in dem Sinne, dass die hauptsächliche Nachfrage nach einem Spinone als Begleit- und Sporthund im Ausland auch die Ausrichtung der dortigen Zucht bestimmen könnte? Was meinen Sie: kann man die Anlagen des Spinone wirklich außerhalb seines jagdlichen Arbeitsbereiches erkennen und wertschätzen?

M.L.: Ich setze voraus, dass der Spinone ein Hund für die Jagd ist und bleiben muss!
Sein sanfter Blick mit dem tiefen Ausdruck einer sachten Nuance von Traurigkeit und Gutmütigkeit, sein fügsamer und liebevoller Charakter; an seinen Mienen und seinem Blick soll sich nur der erfreuen, der seine Gemütsart und seine eigentliche Aufgabe teilt.

 

Text (c) 2018
Fotos:
1 Dagmar Bergknecht, 2 - 4 Club Italiano Spinoni , 5 Antonello D’Arrigo, 6 Monika Scheuring/Katja Locke

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