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Inzucht-Denken

 

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Inzucht-Denken
Von Patrick Burns

Wenn man sie nötigt, sich über die geringe genetische Qualität heutiger "reinrassiger" Hunde zu äussern, plappern die meisten im Rahmen des Kennel Clubs wirkenden Züchter nur etwas ähnliches wie die Entschuldigung des Clubs nach: "Wir tragen die Hunde nur ein, wir züchten sie doch nicht."
Der Satz ist natürlich reiner Blödsinn, denn der KC tut viel mehr als Hunde nur einzutragen - er bestimmt die Regeln, die garantieren, dass immer mehr Hunde ernsthafte (und oft schmerzhafte) genetische Probleme haben werden.
Kurz gesagt liegt das Problem im System des geschlossenen Zuchtbuchs. Bei allen KC Rassen war die Grösse ihres "Grundstocks" anfangs zahlenmäßig immer recht klein und beruhte oft schon bei der Registrierung im KC auf relativ starker Inzucht, denn die Entstehung einer Rasse ist nun mal das Ergebnis von Inzucht und Linienzucht, um das Aussehen des Hundes "festzulegen". Da das geschlossene Eintragunssystem nie neues Blut hinzu kommen lässt, wird die Inzucht im Laufe der Zeit immer enger.
Genetische Vielfalt wird im KC nie verstärkt, sondern immer reduziert. In der Praxis kann das sogar sehr schnell gehen, weil Rüden, die Ausstellungen gewinnen, sehr gefragt sind und so viele Hündinnen wie möglich decken sollen, das ist dann der sog. "beliebter Rüden Effekt".
Das Ergebnis, das man deutlich sehen kann, wenn man einfach nur die 10 Generationen zurück reichenden Pedigrees der meisten Rassen anschaut, ist, dass viele Hunde gemeinsame männliche Ahnen haben. Nach 25 Generationen kann die genetische Überlappung innerhalb aller Vertreter einer Rasse vollständig oder fast vollständig sein, so dass man jeden Vertreter zum Grundstock der Rasse zurück verfolgen kann.
Was daran falsch ist? Ganz einfach: in der Welt der Genetik sind die meisten negativen Eigenschaften, die die Gesundheit betreffen rezessiv. Das ist so, weil die meisten dominanten negativen Eigenschaften zu schnellem Tod oder Ausmerzung (durch den Menschen) führen.

Inzucht Koeffizient 1930-1993, für Shelties, (Trend).
Grafik
mit frdl. Genehmigung von www.terrierman.com
Titelfoto: American Water Spaniel (c) Cindy Rogers

Ein negatives rezessives Gen hingegen bleibt versteckt erhalten und kommt erst zum Ausdruck, wenn beide Eltertiere es tragen.
Wenn Hundepopulationen relativ heterogen (d.h. genetisch vielfältig) sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei negative Gene zusammen finden eher gering. Das Resultat: ein Hund mit sehr guten Aussichten, gesund zu sein.
Wenn eine Hundepopulation hingegen sehr homogen (d.h. genetisch nicht vielfältig) ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei negative rezessive Gene zusammen finden im direkten Verhältnis zum Grad der Homogenität.
Das Ergebnis dieser Verbindung von zwei negativen rezessiven Genen ist dann ein echtes Gesundheitsproblem, und wir sehen solche Probleme immer öfter bei KC Hunden: Epilepsie, Dysplasie, Taubheit, angeborene Hautkrankheiten, Herzbeschwerden, grauer Star, Polyarthritis, progressive Nierenatrophie, Allergien, Hypothyroidismus und Cushing's Syndrom, um nur einige zu nennen. Ein geschlossenes Zuchtbuch mit einem geringen Genpool, das durch die Wahl des Rüden und seines überhäufigen Einsatzes noch weitere Einschränkungen erfährt, garantiert Inzucht und die ständige Zunahme negativer genetischer Erscheinungen. Daran führt kein Weg vorbei. Die Grafik links zeigt den langsamen aber stetigen Anstieg des Inzuchtkoeffizienten bei Shelties, aber man könnte ähnliche Grafiken für die meisten vom American Kennel Club registrierten Rassen anfertigen.

Keine Tierpopulation ist völlig frei von negativen rezessiven Genen; jede hat mindestens zwei oder drei davon - Stückchen eines tödlichen Codes, die mit dem genetischen Make-up des Tieres fest verbunden sind. Eine Population, die frei davon zu sein scheint, ist einfach noch so vielfältig, dass negative Gene noch nicht häufig zusammen finden. Wenn eine kleine Population lange genug Inzucht betreibt, werden sich die negativen Gene aber ausdrücken. Die Ergebnisse der Inzucht sind kein wohl gehütetes Geheimnis.

König Carlos II. von Spanien.
Abb. mit frdl. Genehmigung von www.terrierman.com

Das 5. Buch Moses sagt: "Verdammt sei, wer mit seiner Schwester schläft, der Tochter seines Vaters oder der Tochter seiner Mutter..." Das 3. Buch Moses enthält eine ähnliche Warnung.
Die Geschichte des Menschen selbst ist ein gutes Beispiel. Man braucht nur irgendein Buch über den europäischen Adel aufzuschlagen und kann über den geistesschwachen König Carlos II. von Spanien lesen, ein Produkt der Generationen langen Inzucht seitens der Habsburger. Gesicht und Kinn dieses Mannes waren durch die "Habsburger Lippe" derart entstellt, dass er ohne Hilfe nicht essen konnte. Wenn das Bild unten Sie an Bulldogge, Pekinesen, Mops oder Boston Terrier erinnert, sind Sie nicht der Einzige.
Und trotz alledem ist Inzucht beim KC nicht etwa eine Möglichkeit, sondern sie wird verlangt. Die Option des "outcrossings" eines Lakeland Terriers mit einem Fox Terrier ist innerhalb eines geschlossenen Zuchtbuchs nicht gegeben, ebenso wenig wie die Kreuzung von Curly-coated Retriever mit Flat-coated Retriever oder Greyhound mit Saluki.
Neben der Zunahme ernsthafter genetischer Probleme innerhalb einer Population mit geschlossenem Zuchtbuch treten aber auch andere Schwierigkeiten auf, die dem einzelnen Hundehalter nicht unbedingt klar, aber demjenigen offensichtlich
sind, der sich mit Hunde bezogener Populationsstatistik beschäftigt, wo er zunehmende Sterblichkeit Neugeborener, reduzierte Lebenserwartung und zunehmende Unfruchtbarkeit findet. All diese Faktoren sind in intensiv ingezüchteten Populationen deutlich vorhanden und treten bei KC Rassen immer häufiger auf.
Warum hat der KC das System des geschlossenen Zuchtbuchs ursprünglich überhaupt angenommen, und warum erhält er aus aufrecht?
Die Übernahme des geschlossenen Zuchtbuchs seitens des KC ist ein Artefakt seiner Geschichte, während das Festhalten daran von der Ökonomie der Hundezucht und dem politischen Gebäude des Kennel Clubs bestimmt wird.
Der Kennel Club wurde 1873 im viktorianischen England gegründet, zu einer Zeit also, als neue Theorien über Genetik von Gelehrten verkündet wurden, die noch keine sehr wirklichtskeitsnahen Vorstellungen davon hatten, was in der Natur eigentlich vor sich geht.
Wie in meinem Buch American Working Terriers erwähnt, begann die Schaffung von Rassen bei landwirtschaftlichen Nutztieren durch die Arbeit Robert Bakewells im 18. Jh. und durch die Kontrolle männlicher Zuchttiere. Bakewells Wirken unterstützte auch die Beschleunigung der "Umzäunungsbewegung", die ihrerseits zu grösseren Landgütern, zur Fuchsjagd und zur Zunahme der Terrier Arbeit führte.
Bakewell hatte kein wirklich wissenschaftliches Verständnis der Genetik. Sein Zuchtprogramm beschränkte sich weitgehend auf die Kontrolle männlicher Tiere (was durch die Einzäunung vereinfacht wurde) und die Annahme, dass "Gleiches Gleiches hervorbringt", weshalb man zum Erfolg käme wenn man "die Besten mit den Besten paart".
Das erste Register, das Tierzucht dokumentierte, war das "Allgemeine Zuchtbuch" von 1791, das die Abstammung einer kleinen Zahl von Rennpferden verfolgte. Ein Zuchtbuch für Kurzhornrinder wurde 1822 angelegt.
Als immer mehr Farmer den Grundsätzen Robert Bakewells folgten wurde die Kontrolle männlicher Tiere schnell verbreitet und Inzucht und Linienzucht wurden üblicher. Indem man die besten Fleisch- und Milcherzeuger auswählte und miteinander verpaarte, verbesserten sich die Rinderrassen rapide.

Die Spaltnase, eine erwünschte Rasseeigenschaft des Pachón Navarro. Foto: Márquenz.

Als Charles Darwin 1836 von seiner fünfjährigen Reise auf der Beagle zurückkehrte, entdeckte er bei den Viehausstellungen völlig neue Rinder,- Schaf- und Taubenrassen.
Für die nächsten 23 Jahre grübelte Darwin über die aggressive Nutztierzucht nach, die um ihn herum stattfand, und fragte sich, was Isolation (Einzäunung) und Selektion (die häufige Verwendung beliebter Männchen) bedeuten würde, wenn eine natürliche Version dieses Phänomens auch die Vielfalt der wildlebenden Tierarten antriebe, die er auf seinen Reisen gesehen hatte. 1859, nach mehr als zwei Jahrzehnten der intensiven Überlegung zum Thema, veröffentlichte er "Ursprung der Arten" - in genau dem Jahr, als in England die erste offizielle Hundeausstellung stattfand.
Formelle Hundeausstellungen hatten sich aus den "livestock bench shows", den Viehausstellungen also, entwickelt, die Bakewell und seine Anhänger abhielten, um ihre neuen Nutztierrassen zu präsentieren. Wie beim Vieh, so stellte man auch beim Hund rasch fest, dass durch die Auswahl bestimmter Typen, ihre genetische Isolation in Zwinger, Haus oder Hof, und ihre folgende Nutzung bei der Inzucht oder Linienzucht eine grosse Vielfalt zum Vorschein kam.
1800 gab es nur 15 klar bezeichnete Hunderassen, doch schon 1865 war die Zahl auf über 50 angestiegen und verdreifachte sich im Laufe der nächsten 40 Jahre noch einmal. Die rapide "Artenbildung" bei Hunden, die 1859 begann, fand gerade zu der Zeit statt, als Darwins Cousin, Francis Galton, dessen Werk zu verallgemeinern und auf den Menschen zu beziehen versuchte.
Darwin
wie auch Galton hatten beide bemerkt, wieviele Mitglieder ihrer eigenen Familie intelligent waren. Neben Charles und seinem Vater Erasmus Darwin, einem Biologen, gab es einen Grossvater, der Mitglied der Royal Society war, und dann Galtons Vater, einen Banker. Francis Galton selbst konnte mit 4 Jahren bereits schreiben, jedes Buch in englischer Sprache lesen, beherrschte Grundlagenmathematik (inklusive des Einmaleins) und versuchte sich an den ersten Ansätzen von Latein und Französisch. Während seines Studiums in Cambridge stellte Galton fest, dass Intelligenz auch in anderen Familien massiert auftrat. Erfolgreiche Studenten hatten ebensolche Eltern und Geschwister. Aus dieser Beobachtung schloss er, dass Intelligenz erblich bedingt sei, und bemühte sich sehr, seine Theorie zu prüfen, ja, er ging sogar so weit, wichtige neue Statistikmethoden zu erfinden, wie etwa die Regressionsanalyse und mathematische Korrelation.
Galton war ein intellektueller Wirbelwind, für Fortschritte in der Meteorologie, Psychologie und Statistik verantwortlich (ausserdem erfand er die stumme Hundepfeife), doch wie alle Menschen war auch er fehlbar.

Deutsch Kurzhaar-Rhodesian Ridgeback Mischlinge. Foto: Michael Weegen.

Sein Hauptproblem lag darin, nicht zu verstehen, dass die Elemente, die man verwendet, um eine Rasse zu schaffen, zur Zerstörung eben dieser Rasse führen können, wenn man sie überzieht. Mit seinem unvollständigen genetischen Wissen argumentierte Galton, dass "Was die Natur blind, langsam und unbarmherzig tut, der Mensch vorausschauend, schnell und sanft" tun könne und zwar mit einem System, das er "Eugenik" nannte. Galton postulierte, dass wenn neue Organismen oder "sports of nature" gefunden würden, man diese benutzen könne, um durch genetische Isolation und Inzucht eine neue Rasse zu schaffen. Indem man ein "positives" System der Eugenik benutze, könnten überlegene Individuen ermutigt werden, mehr Nachwuchs zu zeugen, während durch den Einsatz eines "negativen" Systems minderwertige Typen aus der Linie ausgemerzt werden könnten.
Das war, einfach ausgedrückt, Darwins Theorie der Evolution in den Überlichtgeschwindigkeitsgang geschaltet. Sicherlich würde es Richtung vorwärts gehen, aber würde der Weg nach vorn endlos sein?
Galtons Theorie von der endlosen Verbesserung wurde vom frühen Kennel Club angenommen. Die Patina von Wissenschaft, und eine kurze Erfolgsgeschichte bei der Anwendung auf Farmen, verliehen der Idee eines geschlossenen Zuchtbuchs bei "reinblütigen" Beständen Glaubwürdigkeit. Oberflächlich betrachtet gab es keinen Grund anzunehmen, dass die Samen der Zerstörung im geschlossenen Zuchtbuchsystem selbst liegen könnten. Die Arbeit Gregor Mendels war noch unentdeckt und selbst als sie entdeckt wurde (um 1900) war man vom wirklichen Verständnis der negativen rezessiven Gene noch viele Jahrzehnte entfernt.
Hundeausstellungen, die den Formwert beurteilten, beschleunigten natürlich die Reise in die Homogenität. Ziel solcher Ausstellungen ist Gleichförmigkeit - eine ganze Gruppe von nullachtfünfzehn Hunden, die einander so ähnlich wie nur möglich sehen. Das erreicht man am leichtesten, indem man Champion mit Champion paart, alles ausmerzt, was nicht konform ist und dann Inzucht und Linienzucht benutzt, um den "Typ" noch weiter herauszuarbeiten. Als direkte Folge der Schönheitsshows und dem übermäßigen Einsatz männlicher Champions, wurde der genetische Engpass, der mit der Schaffung jeder Hunderasse begann, noch weiter verkleinert.

Bei Nutztieren zählt die Leistung. Foto: Cova

Anfangs war es für Hundezüchter schwer zu durchschauen, was da geschah. Manchmal hatten sie ein Gesundheitsproblem im Zwinger, sicher, aber es war schwierig bei so wenigen Tieren, die man über ein paar Generationen zurück verfolgen konnte da ein Muster zu erkennen. Wenn HD, Hautinfektionen oder grauer Star auftraten, galt das einfach als "eine von diesen Sachen", die man als schlechte Verpaarung oder Pech vermerkte.
Die Möglichkeit, dass das geschlossene Zuchtbuchsystem des KC selbst daran Schuld war, war eine zu folgenschwere Überlegung als dass die meisten Leute bereit gewesen wären, sie zu erwägen.
In der Landwirtschaft entwickelten sich die Dinge anders. Inzucht bei Nutztieren hatte früher begonnen aber war nicht minder intensiv. Da Viehherden gross sind und von Familien oft über Generationen gehalten werden, waren die Farmer in der Lage, Daten zu liefern, die Produktionsrückgänge, höhere Sterblichkeit, abnehmende Fruchtbarkeit und stete Zunahme von Krankheiten und Gesundheitsstörungen anzeigten. Inzucht, die anfänglich die Produktion gesteigert hatte, schien sie nun zu vermindern. Da Farmer eine klare "Steak und Eier" Bewertungsskala für ihr Vieh hatten, waren sie bereit und willens, Auskreuzungen vorzunehmen, um wieder bessere Ergebnisse für ihre Bedürfnisse und ihr Land zu erzielen. Den Verbrauchern ist es schliesslich egal, von welcher Hühnerrasse ihre Eier kommen, oder welcher Champion Bulle ihr Steak gezeugt hat. Durch Versuche stellten Farmer fest, dass Auskreuzungsprodukte und Hybriden zweier "reinrassiger" Typen genauso gute wenn nicht bessere Erträge brachten, dabei aber resistenter gegenüber Krankheiten waren, fruchtbarer und langlebiger als die sehr homogenen Bestände. Was ein reinrassiger Angus zu sein scheint,die auf der
Welt am weitesten verbreitete Fleischrinderrasse, hat wahrscheinlich eine enorme Vielfalt von Rindergenen im Körper. Tatsächlich werden heute ganze Rinderrassen nur noch wegen ihres möglichen Einsatzes bei Auskreuzungen gehalten. Auf den aktuellen Farmen mögen die Rinder auf der Weide Brangus sein (Brahman-Angus Kreuzungen), Braford (Brahmam-Hereford Kreuzungen), Beefmasters (eine Kreuzung aus Hereford, Shorthorn und Brahman), oder jede andere Kombination und Mischung.
Nicht nur Farmer fördern einen gewissen Grad an Heterogenität. Bei den Top Gewinner Rennpferden wird ein 5%iger Inzuchtkoeffizient schon als hoch betrachtet. Obwohl man viel über die Deckgebühren redet, die für die Dienste pensionierter Gewinner bezahlt werden, sind die meisten Nachkommen solcher Champions gar nicht so besonders und wenn ein Züchter Glück hatte, passiert ihm das kaum ein zweites Mal.
Ähnlich wird genetische Vielfalt von Züchtern geschätzt, die Leistungshunde züchten, wie etwa Greyhounds für Rennen, Arbeits Border Collies, Schlittenhunde und Arbeitsterrier. Alle Arbeitsversionen dieser Rassen oder Hundetypen werden mit offenen Zuchtbüchern erhalten. Und es ist kein Zufall, dass man KC Greyhounds nicht auf der Rennbahn findet, KC Terrier nicht im jagdlichen Einsatz, KC Schlittenhunde nicht beim Iditarod, oder KC Border Collies nicht auf Schaf-Farmen.
Dabei zeigt sich, dass es weder widersprüchlich noch schwierig ist, eine Rasse zu erhalten und sie dennoch mehr oder weniger heterogen zu halten. Der Trick ist einfach, Mutter Natur zu folgen und gelegentlich Auskreuzungen mit Tieren vorzunehmen, die von völlig ausserhalb des Genpools kommen, in den sie eingekreuzt werden. Im Falle von Rindern und Hühnern erreicht man das üblicherweise, indem man ein Tier von ähnlicher Grösse und mit ähnlichen Eigenschaften aber ganz verschiedener genetischer Geschichte einkreuzt.
Leute sind oft verblüfft, wenn sie merken, dass Mutter Natur dasselbe tut. Die meisten nehmen vielleicht an, dass eine Stockente eben eine Stockente ist - sind sie nicht alle einfach Clones voneinander? Eben nicht, denn Enten vermischen sich ständig. Was eine Stockente zu sein scheint könnte ich Wirklichkeit ein bisschen Gadwall eingekreuzt haben oder ein wenig Black Duck, oder gar etwas Grünflügel Ente in seiner Doppelhelix versteckt haben. In der Entenwelt, wo Erfolg nach darwinistischen Begriffen definiert wird, gibt es keine geschlossenen Zuchtbücher. Obwohl Tiere einer Spezies dazu neigen, sich mit anderen Vertretern ihrer Spezies in derselben Gegend zu verpaaren, fliegt, geht und schwimmt neues Blut ständig dazu. Bei Enten mag es von jenseits des Ozeans kommen, oder von völlig anderen Entenarten.

Halbwüchsiger Wolf-Hund-Schakal Mischling.
Foto: Sabine Middelhaufe.

Derselbe Effekt tritt ein, wenn junge männliche Füchse, Löwen oder Wölfe aus ihrem Geburtsterritorium vertrieben werden, so dass sie weit wandern müssen, um unbesetzte Gebiete zu finden. Ein junger Wolfsrüde, der in Wyoming gezeugt wurde, mag bis nach Oregon laufen, ehe er sich niederlässt und eine eigene Familie gründet.
Was für Enten gilt, trifft nämlich auch für viele andere Tiere zu. Nicht nur werden Individuen häufig enorme Distanzen zurücklegen, um unbesetzte Revier zu finden, sie mögen dabei sogar die Artenbarriere überwinden. Ein Wolf wird sich etwa mit einem Haushund und einem Koyoten paaren, und Finken hüpfen über die Barriere, kaum dass sie irgendwo ankommen.
Ein Fleckenkauz wird sich ohne weiteres mit einem Streifenkauz paaren, und die amazonischen Papageien verkreuzen sich gern und oft untereinander. Ein Löwe kann sich mit einem Tiger verpaaren und fruchtbare Nachkommen zeugen, afrikanische Elefanten können sich mit asiatischen verkreuzen. Der Muskellunge (ein Hecht) wird sich mit dem nordischen Hecht kreuzen, der Sonnenbarsch mit dem Blauen
Sonnenbarsch; Forellen und Lachsarten vermischen sich willig. Viele Habichte und Falken überschreiten ebenfalls die Artenbarriere und Büffel paaren sich mit Kühen. Gerade letzte Woche hat ein Jäger in Alaska ein Tier geschossen, das sich dann als Kreuzung zwischen Polarbär und Grizzly erwies.
Mein Punkt ist hier nicht, dass zwischenartliche Kreuzungen die Norm sind, sondern dass die Natur sogar zwischen unterschiedlichen Arten Vermischung zulässt und eine Menge genetisches Hin und her erlaubt ist. Mutter Natur gestattet Auskreuzungen weil sie heterogene Gene schätzt und umgekehrt homogene Gene durch Ausmerzung auf dem Wege abnehmender Überlebensrate (Sterberate bei Neugeborenen), geringere Lebenserwartung und Unfruchtbarkeit bestraft.

Die hier aufgeführten Tatsachen sind kein Geheimnis und werden von der Wissenschaft bestätigt. Warum also hat der KC seine Politik nicht längst geändert?

Die simple Antwort ist: aus wirtschaftlichen Gründen.
Der KC ist eine gigantische, Geld
machende Bürokratie, die davon abhängt, Leuten die "Exklusivität" eines geschlossenen Zuchtbuchs zu verkaufen und ein Stück Papier das sagt, der Hund ist "reinrassig". Solange Leute bereit sind, im KC eingetragene Hunde zu kaufen, die vorhersehbar grössere Chancen auf ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen haben als Kreuzungen, hat der KC (und seine Züchter) wenig Grund, seine Geschäftsbedingungen zu ändern.
Lassen Sie mich eilig ergänzen. dass der KC nicht voller übelmeinender Menschen ist, die Hunden schaden wollen. Er ist ganz im Gegenteil voller normaler Leute, die sich nur in dem Grade (und dem Weg) wie sie die Befriedigung ihres Egos und persönlichen Status suchen, vom Rest der Welt unterscheiden. Dieser letzte Aspekt ist wichtig: im KC geht es nicht in erster Linie um Hunde; Hunde kümmern sich nicht um Siegerschleifen, Pedigrees, Titel und Punkte. Das ist eine menschliche Besessenheit. Das Motiv, wieso ein Mensch etliche hundert Meilen weit fährt und einen ganzen Tag herumsteht, um dann 10 Minuten im Ausstellungsring zu verbringen hat nichts mit dem Hund zu tun, sondern mit dem menschlichen Bedürfnis nach Siegerschleifen, Titeln, dem bisschen Status der mit dem Gewinnen kommt. Gut, jedem das Seine, aber seien wir doch zumindest ehrlich, worum es bei Hundeausstellungen geht - um Siegerschleifen für Menschen. Den Hunden selbst könnte das alles nicht gleichgültiger sein.

Cocker Spaniel Welpen. Foto: Karin Hahn.

Es ist unfair einzelnen Züchtern und Rassevereinen die Schuld an den Fehlern des KC zuzuschieben, denn diese kleineren Einheiten sind machtlos, das grössere Ganze zu ändern. Zuchtklubs sind klein und von vornherein recht ohnmächtig. Weil der KC nicht verlangt, dass Züchter, Hundebesitzer oder selbst Siegerschleifenjäger einem Klub beitreten, um beim KC registriert werden zu können, bleiben diese Vereine klein, unterfinanziert und unterrepräsentiert.
Zuchtvereine, wie Schönheitsausstellungen selbst, sind ausserdem durchdrungen von internen politischen Interessen und von grossen Züchtern und solchen Leuten dominiert, die dem Formwert zu viel Wert beimessen. Nur wer Jahrzehnte lang mit dem AKC System konform geht kann hoffen, in seiner Hierarchie aufzusteigen - eine Situation, die intellektuelle und bürokratische Inzucht garantiert. Letztenendes ist der AKC ein geschlossenes Zuchtbuch in jedem Sinne des Wortes. Er unterstützt weiterhin die irrigen genetischen Theorie des viktorianischen Englands, weil er zu ernsthafter Reform innerhalb des Clubs selbst nicht fähig ist. (Anm.d.Ü.: die Dachorganisation nationaler Kennel Clubs oder "Verbände für das Hundewesen" ist die FCI, die scheinbar dieselbe Politik vertritt.)
Gibt es irgendwo Hoffnung am Horizont? Ja und nein.
1922 fand Sewell Wright, ein berühmter früher Genetiker, eine Methode, um den Inzuchtkoeffizienten zu berechnen. Nach Wrights System, definierten Inzuchtkoeffizienten von 0-100% den prozentuellen Anteil der Gene eines Hundes, die homozygot sein könnten (man beachte, dass es sich hier um eine Wahrscheinlichkeitsrechnung handelt). Die Rechnung war eingängig und diskret, so weit es geht, aber unglaublich komplex und umständlich in der Praxis. Ohne mathematisches Fachwissen, einen riesigen Stapel Pedigrees und mindestens eine Woche Rechnen konnte man den 10-Generationen-Inzuchtkoeffizienten nicht ermitteln. Folglich wurde Wrights System kaum genutzt. Die gute Nachricht ist, dass man heute, dank Personal Computer und Internet mittels list-servs, Email und fertiger Software viel einfacher einen 10 oder 20 Generationen erfassenden Pedigree erstellen kann. Bedauerlicherweise sind nur wenige Züchter bereit, sich auch nur diese Arbeit zu machen, und noch viel weniger sind willens, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Wer es in der Welt der Schönheitsausstellungen auf Teufel komm raus zu etwas bringen will, benutzt weiterhin die Inzucht, und Verbraucher kaufen weiterhin seinen Ausschuss, übersehen dabei freilich, dass sie in 25% aller Fälle ein Gesundheitsproblem mitkaufen, das ihnen möglicherweise tausende von Dollars (Anm.d.Ü.: oder Euro, Pfund Sterling usw.) Tierarztkosten in nur wenigen Jahren bescheren wird.

Jack Russell Terrier Mischling. Foto: S.D-R.

Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass immer mehr Züchter ihre Hunde auf HD, Augenkrankheiten und Taubheit testen lassen. Leider ist Testen und Ausmerzen allein keine Kur für genetische Probleme. In der Tat führt die Ausmerzung einer grossen Zahl von Hunden eines Genpools nur dazu, diesen noch weiter zu verringern. Solange man innerhalb eines geschlossenen Zuchtbuchs arbeitet, nimmt das Disaster seinen Fortgang - sogar schneller als bisher.
Innerhalb des KC stehen zwei Rassen an den entgegengesetzten Enden der Skala wenn Inzuchtkoeffizienten untersucht werden, und beide sind Terrier [Marsha Eggleston, Bericht über "Genetische Viefalt " für das DNA Kommittee des AKC, 2002]. Der Bull Terrier scheint die am meisten ingezüchtete KC Rasse zu
sein; er wurde anfangs mit relativ wenigen Vertretern im KC aufgenommen und ist seitdem in zwei Farben (Weiss und farbig) sowie zwei Grössen (Minitur und Standardgrösse) aufgeteilt worden.
Am anderen Ende findet man den "Parson" Russell Terrier. Er ist ein Neuzugang im KC, dem der grosse, vielfältige Genpool (und das offene Zuchtbuch) des Jack Russell Terrier Club of America (JRTCA) zugute gekommen ist, von dem ja die meisten AKC Hunde
stammen und die ausserdem erst in jüngster Zeit übernommen wurden.
Der JRTCA bleibt der grösste Jack Russell Terrier Club weltweit und die gentische Vielfalt seiner Hunde ist kein Zufall, sondern so beabsichtigt.
Nach JRTCA Regeln kann ein Hund nicht eingetragen werden wenn sein Inzuchtkoeffizient höher als 16% ist. Das ist nicht besonders niedrig, sogar höher als zwischen Cousins (12,5%).
Auskreuzungen zu nicht-Russell Terriern werden vom JRTCA recht selten gemacht, sind technisch aber möglich, im Sinne eines genetischen Fallschirms, den einzelne Züchter im Bedarfsfalle benutzen können, oder wenn eine bestimmte Kreuzung sich empfiehlt, um die Arbeitseigenschaften (Grösse, Nase, Stimme, Jagdtrieb, Führigkeit) in einer gegebenen Linie zu verstärken. Die Nachkommen solcher Auskreuzungen werden je nach ihren äusseren Merkmalen eingetragen oder nicht.
Es hat einige Diskussionen darüber gegeben, ob der Parson Russell Terrier und der Jack Russell
Terrier des JRTCA dieselbe Rasse mit unterschiedlichen Bezeichnungen ist. Während ein paar Leute nach wie vor über den Status einzelner Hunde streiten, die möglicherweise zur Zeit der Aufspaltung vor einigen Jahren doppelt registriert wurden, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es heute zwei klar unterscheidbare Rassen sind. Nicht nur gibt es zwei Zuchtbücher (eines davon geschlossen) sondern auch zwei Rassestandards, die sich nur teilweise überschneiden.
Durch das Fehlen kleiner Hunde, denn der "ideale" AKC Hund wird mit 14 inches (ca. 36 cm) angegeben, werden die durchschnittlichen KC Hunde schnell grösser und verlieren dadurch ebenso schnell ihre Brauchbarkeit im Jagdbetrieb.

Mischling aus Vorsteh- und Laufhund. Foto: Sabine Middelhaufe.

Abschliessend ist es vielleicht interessant noch zu zeigen, wohin die "Verbesserung der Rasse" durch Eugenik Darwin und den Rest der Welt gebracht hat.
Wie es scheint, wollte Charles Darwin die "genetische Überlegenheit" seiner eigenen Blutlinie erhalten und heiratete deshalb seine Cousine ersten Grades. (Anm.d.Ü.: Nach anderen Autoren hat Darwin seine Cousine wohl eher aus Bequemlichkeit und persönlicher Schüchternheit geheiratet, und sich überdies sein Leben lang über die Folgen der Inzucht Sorgen gemacht. Ein sehr gut recherchiertes und geschriebenes Buch zum Thema ist übrigens "Darwin: Abenteuer des Lebens", von Jürgen Neffe.)
Aus dieser Ehe entstanden 10 Kinder. Von den 4 Töchtern starb eine, Mary, kurz nach der Geburt, eine andere, Anne, starb mit 10 Jahren an Scharlach und die älteste, Henrietta, erlitt mit 15 einen ernsthaften, lange währenden Zusammenbruch.
Von den 6 Söhnen litten drei so häufig an Krankheiten, dass Darwin selbst sie als halbe Invaliden betrachtete, während sein letzter Sohn, Charles junior geistig behindert zur Welt kam und mit 19 Monaten starb.
Von den überlebenden Kindern Darwins hatten weder William, Elizabeth, Leonard noch Henrietta eigene Kinder - eine erstaunlich hohe Unfruchtbarkeitsrate.
Von den drei Kindern, die körperlich und geistig ausreichend gesund heranwuchsen, wurde eines, nämlich Leonard von 1911-28 Vorsitzender der Eugenics Society, wo er den Namen seines Vaters nutzte, um die Welt über "gute Zucht" zu belehren. Auch er heiratete seine Cousine ersten Grades.
Es war die Eugenics Society unter Leonard Darwin, die die "grossartige Idee" verbreitete, den Menschen durch selektive Zucht zu verbessern, und die ein vom Staat unterstütztes Programm der negativen Eugenik ermutigte. Modellgesetze, von der Eugenics Society bekannt gemacht,

Siegerschleifen. Foto: Patrick Burns.

vertraten die Zwangssterilisation von geistig Zurückgebliebenen und Schwachsinnigen.
Innerhalb weniger Jahrzehnte trieb man in Europa ganze Gruppen von "Mischlingen" und Menschen "geringer Herkunft" zusammen und schickte
sie in die Gaskammern. Während dieser ganzen Zeit hat der KC an seinem Vorgehen festgehalten, ist nie von den geschlossenen Zuchtbüchern abgewichen und hat das aggressive System der Eugenik, das nur auf Schönheit und Schein beruht, nie angezweifelt.

Wen kümmert schon die Wissenschaft, die Fakten, die Experimente, die gezeigt haben, dass das geschlossene Zuchtbuch weder dem Nutzen des Menschen noch der Gesundheit des Hundes hilft.
Wen kümmert schon der Hund.
Der Hund war schliesslich nie, worum es dem KC ging.


Text (c) Patrick Burns

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