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Bracco Italiano und Spinone

 

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Bracco Italiano und Spinone - zwei Rassen, ein Profil
Von Danilo Rebaschio

Über den Bracco Italiano oder den Spinone zu schreiben ist natürlich nicht dasselbe, und ich höre schon den Protest derer, die bis zum Abwinken die Besonderheiten der einen Rasse gegenüber der anderen verteidigen.
Sagen wir's also so: Bracco und Spinone haben unbestreitbar bestimmte jagdliche Eigenschaften gemeinsam und nur die möchte ich hier behandeln.
Da sei an erster Stelle die Vielseitigkeit beider Rassen angeführt, die ihnen erlaubt, sich in jedem noch so schwierigen Terrain zurecht zu finden, und dies weil die Rassen selbst jagdlicher Ausdruck eines Landes sind, das vorwiegend aus Hügelgebieten wenn nicht gar Gebirgen besteht, aus Wäldern, aus dicht bewachsenen Flussufern und (früher) aus Sümpfen. Natürlich gefällt unseren beiden Rassen auch die Ebene, und das demonstrieren sie in den Reisanbaugebieten der Lombardei und des Piemont bei der Bekassinenjagd, die sie bekanntermassen hervorragend meistern,
Tatsache ist, dass Italien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die Vorstehhunderassen hervorgebracht haben, sehr viel weniger flaches Terrain aufweist und dies auch viel weniger vom Wild bewohnt ist. Man kann also ohne weiteres sagen, dass Bracco und Spinone auf perfekte Weise die Umwelt wiederspiegeln, in der sich die Jagd in Italien vorwiegend vollzieht. Der weit ausholende, kraftvolle Trab von Bracco und Spinone ist in der Tat ideal um die Geschwindigkeit der Suche im Gelände mit ganz verschiedenartiger Vegetation zu modulieren, und es gibt nichts Funktionelleres als einen angemessenen Trab um zum Beispiel die vom schlauen Fasan bevorzugten tiefen Uferböschungen voll dichter Brombeergebüsche kreuz und quer zu erkunden.

Catina delle Terre Alliane. Foto: Sabine Middelhaufe
Titelfoto: Spinone Pepi. Foto: M. Scheuring

Schwieriges Terrain ist für die italienischen Vorstehhunde also eher eine willkommene Gelegenheit, ihre grosse Eleganz zu zeigen und ihre Meisterschaft, die Begegnung mit dem Wild zu handhaben.
Doch auch die Qualität des Trabes verdient Beachtung, und im Zusammenhang damit die Orientierung des Halses, die Art den Kopf zu tragen und die ausdrucksstarke Bewegung der Rute.
Ein übertrieben schneller Trab, der also eine grössere Geschwindigkeit bezweckt, führt zu einem starren, in Rückenlinie getragenen Hals, einem ganz nach vorn gestreckten, wenig beweglichen Kopf und einer tendenziell unbewegten Rute, schon deshalb, weil es unmöglich wäre, im Rhythmus mit einem derartigen Trab zu wedeln. Tatsächlich ist dies auch nicht der ideale Trab eines italienischen Vorstehers, der viel weicher ausfallen soll, als Ergebnis langer, kraftvoller Schritte mit schön kadenziertem Rhythmus und grosser Beweglichkeit des Kopfes, der hoch über der Rückenlinie getragen wird. Währenddessen soll die Rute ständig die innere Verfassung des Hundes signalisieren. Unsere alten Meister pflegten zu sagen, dass beim italienischen Vorstehhund "die Rute das beschreibt, was er in Kopf und Nase hat". Eine starre Rute während der Suche etwa ist Symptom für übertriebene Anspannung und oft Ursache von Fehlanzeigen; die Rute, die sich in einem Rhythmus bewegt, der schneller ist als jener des Trabs zeigt eine geringe Neigung an, die Nase zu benutzen; Wedeln während des Vorstehens oder der vorhergehenden Phase weist auf mögliche Schwierigkeiten hin, den Ausgangspunkt der Witterung zu identifizieren. All das ist wohl gemerkt nicht nur eine Frage des Stils, sondern auch der Funktionalität bei der Ausführung einer "durchdachten Suche", die die schönste Eigenschaft der italienischen Vorstehhunde ist.
Wenn man sagt, die beiden Rassen seien "Denker" bezieht sich das ja nicht nur auf den Ausdruck ihrer Augen und faltigen Gesichter, sondern auch auf diese Verhaltensweisen, die den reinen Instinkt transzendieren, und die von der Prädisposition beeinflusst werden, zu überlegen und die eigene Aktion im Hinblick auf das Gelände und die Verteidigungsstrategien des Wildes zu optimieren. Doch um während der Jagd überlegen zu können, muss der Geist des Hundes ruhig und still sein; nur dann

Quasimodo di Casamassima, Ch It Ass und Ch Int L . Foto (c) Danilo Rebaschio

kann er von Fall zu Fall entscheiden, was zu tun ist, kann er die geruchlichen Stimuli auf die günstigste Weise nutzen und sich vom Bewusstsein seiner jagdlichen Rolle lenken lassen. Und während er nun dahin trabt und eine vielversprechende Witterung wahrnimmt, wird er aufmerksamer, kehrt vielleicht zu der Stelle zurück, wo er den ersten Hinweis entdeckt hatte, erkundet dort von neuem, entziffert den Geruch rational und entscheidet über sein weiteres Vorgehen. Um all dies zu tun, kann er nicht in halsbrecherischer Geschwindigkeit traben, sondern muss verlangsamen, den ausdrucksvollen Kopf auf seinem eleganten Hals kreisen lassen und so die Lage meistern, als "Herr der Lüfte", der er unbestreitbar ist. Und deshalb auch geschieht das Vorstehen der italienischen Rassen - ausser in besonderen Situationen - nie ruckartig; es ist eben nicht die blosse, plötzliche Reaktion die von schnellen Reflexen ausgelöst wird, sondern die graduelle Dekodierung zunehmender Botschaften die sie könnerhaft interpretieren. Das Ganze vollzieht sich mit einem ästhetisch gesehen begeisternden Ergebnis und grosser Effektivität für die Jagdtasche, denn Bracco und Spinone erlauben ihrem Führer die Jagdaktion Schritt für Schritt mitzuerleben und notfalls durch rasches Eingreifen auch eine unvorhergesehene Wendung der Situation zu retten, die der Hund unglücklicherweise nicht handhaben konnte.
Der italienische Vorsteher ist also wahrlich ein "ganzer Jagdhund", dem es darüber hinaus sogar gelingt, das Streckemachen zu veredeln.
Thema vieler kontroverser Interpretationen ist die Frage "ob und wann" Bracco und Spinone galoppieren dürfen. Die Tatsache, dass sie beide natürliche Traber sind heisst ja nicht, dass sie nicht galoppieren können und es nie dürfen.
Zunächst einmal sei gesagt, dass der Galopp auch für die italienischen Vorsteher die schnellste Gangart ist und bleibt, und folglich ist sie erlaubt, wenn eine hohe Geschwindigkeit funktional ist, beispielsweise wenn der Hund zum Führer zurück eilt, d.h. ausserhalb einer Sucharbeit. Gelegentliche Galoppphasen sorgen sogar dafür, den ansonsten streng geforderten Trab noch besser hervorzuheben, gleichsam als Kontrast: sporadischer Galopp gegenüber vorwiegendem Trab.

Danilo Rebaschio mit Xeres delle Terre Alliane, Ch europ. Foto: (c) Danilo Rebaschio

Sind Galopphasen am Anfang der Suche durch den Überschwang des Hundes zu rechtfertigen? Ja und nein, denn gerade wenn der Vorsteher eben erst abgeleint wurde muss er sich der Möglichkeit bewusst sein, auf Wild zu stossen und sich folglich darauf konzentrieren, das neue Gelände, das er vor sich hat, "zu lesen", ohne dabei allerdings die Grenze zum übervorsichtigen Skeptiker zu überschreiten. Sobald er sich vergewissert hat, dass keine unmittelbare Gefahr besteht, versehentlich Wild hoch zu machen, darf er sich sehr wohl ein bisschen anfänglichen Übermut erlauben, den er freilich im Bedarfsfalle selbst sofort mit der "überlegten Suche" kontrolliert.
Gälte übrigens als Massstab einfach, dass der Hund seinen von reiner Jagdleidenschaft motivierten Überschwang voll ausleben soll, müsste der Galopp auch beim italienischen Vorsteher nicht einige Minuten sondern etliche Stunden dauern...! So hingegen kann man sagen, dass der Galopp bei Bracco und Spinone "die Ausnahme ist, die die Regel bestätigt".
Als Lebensgefährten sind beide Rassen äusserst angenehm, vor allem wegen ihres sanften Wesens, das sich auch im häuslichen Umgang manifestiert und des ständigen Wunsches, ihren Menschen zu gefallen. Bestimmt wird hier jemand einwenden, dass so etwas auf alle Hunde zutrifft, und das ist wahr, und dennoch ist es bei Bracco und Spinone ganz besonders ausgeprägt. Ich erlebe das jeden Tag, denn als berufsmäßiger Hundeausbilder habe ich Vorstehhunde aller Rassen in meinen Zwingern und ich kann versichern, dass keineswegs alle die Sanftheit und Gutmütigkeit der beiden italienischen Rassen besitzen.
Das hat natürlich auch Einfluss auf die Ausbildungsmethoden, die bei Spinone und Bracco tendenziell die groben Manieren ausschliessen müssen - zu Gunsten einer graduellen Überzeugung, die sich auf die Intelligenz des Hundes stützt und sein Bestreben, uns zu gefallen.
Ich sage das Folgende nicht aus Überheblichkeit, sondern um meine These zu untermauern: eine grosse Zahl von italienischen Vorstehhunden, die andere schon abgeschrieben hatten konnte ich zu grössten Erfolgen bei Leistungsprüfungen führen; nicht weil ich über geheime Künste verfüge, sondern einfach als Ergebnis gegenseitigen Verstehens.
Eine weitere Konsequenz ihrer Rasseeigenschaften ist, dass Bracco und Spinone nicht besonders früh ausreifen, weil sich ihre Fähigkeiten nicht ausschliesslich als Instinktleistung manifestieren werden, sondern erst graduell mit den eigenen Erfahrungen heranreifen.

Der Autor mit Ariale dell'Oltrepo,Ch It Ass, Ch Int Ass, Trebbia,Ch It L und Ciclone,Ch It Ass, Ch Int Ass. Foto (c) Rebaschio

Wohl gemerkt: den schönen Tag erkannt man schon am Morgen, und der herausragend veranlagte Hund macht schon als Junghund auf sich aufmerksam. Aber auch dann darf man keine Eile haben; man muss der Zeit Zeit lassen und dem Bracco und Spinone die Möglichkeit, allmählich auszureifen.
In diesem Kontext ist das Derby für unsere beiden Rassen eher ein Risiko als eine gute Gelegenheit, denn um den Weg möglichst schnell zu durchlaufen nimmt man vielleicht die Gefahr in Kauf, den Hund zu verderben...
Nun, was ist eigentlich Sinn und Zweck dieses Monologs? Nur eine propagandistische Darstellung der Hunderassen die ich bekanntlich bevorzuge? Nein, liebe Freunde, nicht darum geht es. Was ich erreichen möchte ist, dass die Fans von Bracco und Spinone sich davor in Acht nehmen Abweichungen bei den Eigenschaften dieser Rassen zu akzeptieren, die aus dem bloßen Bestreben entstehen, ausschliesslich für Leistungsprüfungen bestimmte Hunde zu produzieren. Gewisse "Roboter-Hunde" die vielleicht durch einige athletische Leistungen beeindrucken - vor allem was die Geschwindigkeit des Trabs angeht - sind eine Gefahr für unsere Vorstehhunderassen weil sie sie entstellen; mancher von ihnen erträgt sogar klaglos strenge Bestrafungen, einfach weil er nicht mehr über die für Bracco Italiano und Spinone typische Sensibilität verfügt. Die Kehrseite der Medaille bei gewissen Höchstleistungen auf Prüfungsebene ist beim Hund ferner der Verlust der "überlegten Suche", der Verlust der Vielseitigkeit in jedem Terrain, der Verlust der Intelligenz beim Kontakt mit dem Wild, der Verlust dieser Ausdruckskraft "von der Nasen- bis zur Rutenspitze" während der Suche, der Verlust der Fähigkeit, von Fall zu Fall zu entscheiden, wie er die jeweiligen Bedingungen handhaben will, die die wirkliche Jagdpraxis mit sich bringt, kurz, der Verlust der wahren Identität des italienischen Vorstehers, die wir eifersüchtig verteidigen sollten als einzigartiges und kostbares Erbe unserer Vorstehhunderassen.

Danilo Rebaschio und Bruno Rizzetto mit Biancone di Morghengo, Ital. u. Intern. Arbeitschampion. Foto: (c) Danilo Rebaschio

 
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