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Die Jagdweise des
Segugio Italiano

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Die Jagdweise des Segugio Italiano
Von Sabine Middelhaufe

"Der Segugio ist ein Hund mit Klasse," schreibt der Rasseexperte Gian Carlo Bosio. "Ein antiker Hund für eine antike, echte Jagd, die sich niemals dem Konsumismus unserer Zeit unterordnen wird, in der alles in Eile getan werden muss, ohne Rücksicht auf das Wie. Um seine Aufgabe erfüllen zu können braucht der Segugio Zeit und Raum, Überlegung und Konzentration, diese unerlässlichen Anlagen, um nach Verlust der Fährte die richtige Lösung zu finden. Im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrglauben ist der wahre Verfolger nicht notwendigerweise der besonders schnelle Segugio, sondern derjenige, der seine Laufgeschwindigkeit mit der Leistung seiner Nase ins angemessene Verhältnis zu bringen weiß."
Der renommierte Segugio-Kenner Mario Quadri sagte einmal: "Ein großer Laufhund mit exzellenten Qualitäten für die Fuchs,- Reh - oder Wildschweinjagd wird niemals ein guter Hund für die Hasenjagd werden. Ein Laufhund hingegen, der gerade ausreichend oder schon recht gut für den Hasen ist, kann ein großartiger wenn nicht gar grandioser Jagdhund für Fuchs und Schalenwild werden."

Warum? Weil Meister Lampe das Wild ist, das den Laufhund mehr als jedes andere Beutetier zur Lösung schwieriger Geruchsprobleme und zur Entwicklung einer angemessenen Jagdmethodik nötigt.
Der Segugio Italiano oder Italienische Laufhund wird, ob nun als Einzelner, im Paar oder in der Meute (wobei dann die morphologische Homogenität und die Einheitlichkeit des Arbeitsstils aller Hunde wichtig ist), in seiner Heimat hauptsächlich auf drei Beutetiere angesetzt: den Hasen, das Wildschwein und den Fuchs. Aber ganz gleich was er jagt, der klassische, der wertvolle Segugio arbeitet stets in vier deutlich erkennbaren Phasen, die wir hier am Beispiel der Hasenjagd einmal untersuchen wollen.
Die 1. Phase nennt man im Italienischen "la cerca delle passate notturne", oder zu Deutsch: die Suche nach den Fährten, die der Hase beim nächtlichen Grasen hinterlassen hat.
Statt den Hasen direkt in seiner Sasse, der Schlafmulde, im Wald zu suchen, inspiziert der Segugio also zunächst einmal passioniert, Nase am Boden, ohne sinnloses Herumrennen und überflüssiges Lautgeben mit äußerster Genauigkeit das Weidenterrain, v.a. dort, wohin die nächtlichen Freßgewohnheiten den Hasen erfahrungsgemäß führen. Typisch für einen guten Segugio ist hierbei, dass er nie auf bereits untersuchtes Gebiet zurückkehrt, seine Suche hingegen in geordneter, planmäßiger Weise ausweitet, ohne den Kontakt zum Hundeführer (HF) zu verlieren.
Arbeitet ein Paar oder eine Meute (mit 4-8, in der Regel 5 Hunden) zusammen, muss der Einsatz der Einzeltiere zwar autonom sein, der ständige Kontakt zueinander bzw. zum HF darf aber nie unterbrochen werden, um sofort, ggf. auch auf Befehl des HF, denjenigen Meutegenossen erreichen zu können, der den Kontakt mit der frischen Fährte signalisiert.
In dieser 1. Phase der Jagd erkennt man den "wahren" Segugio also an seiner Disziplin, Passion und seiner des ungeachtet konstanten Verbindung zum HF bzw. zur Gruppe.
Die 2. Phase heißt "l'accostamento", oder Annäherung, weil der Segugio nun die frische Fährte findet, auf der der Hase seine Weide Richtung Sasse verlassen hat.
Um diesen Ausgang in dem "Geruchswirrwarr" zu entdecken, dürfen die Mitglieder eines Paares oder einer Meute durchaus selbständig statt in perfekter Einheit arbeiten, sofern sie im kontinuierlichen Kontakt miteinander bleiben. Es ist einem Hund sogar erlaubt, die Ränder der Wiese allein abzusuchen, vorausgesetzt freilich, dieser Hund ist "reserviert" und gibt nur Laut, wenn er tatsächlich eine Lösung für das Geruchsrätsel gefunden hat, und vor allem, wenn ihm von den Meutegenossen "geglaubt" wird, weil er ein erfahrener, glaubwürdiger Jäger ist!
Denkbar ist auch, dass der HF einen oder mehrere Hunde herbeiruft, damit sie einen wichtig erscheinenden Wechsel untersuchen. Ist der Ausgang des Hasen aus der nächtlichen Futter-Wiese schließlich gefunden, müssen Paare und Meuten wieder geeint auf dieser Fährte weitersuchen, und sich, sofern mehrere gleichwertige Hunde präsent sind, in der Führung der Gruppe abwechseln.
Zumindest bis zum "fallo", dem Verlust der Fährte. An diesem Punkt wird jeder einzelne Segugio die Lösung wiederum auf seine Weise suchen. Der eine, indem er minuziös an Ort und Stelle sucht, der andere, indem er seine Untersuchung ein bisschen ausweitet und im Umkreis, allerdings nie zu weit von den geruchlichen Bezugspunkten entfernt recherchiert. In jedem Falle bemüht sich der Segugio ohne unnützes Hinundher und ohne sinnlose Lautäußerungen an die verlorene Fährte anzuknüpfen. Ist der Faden wieder aufgenommen, gehen alle Gruppenmitglieder vereint weiter.
Je nach Pfiffigkeit des Hasen können sich diese Stop and go Phasen wiederholen, aber immer folgen die Hunde rigoros der nächtlichen Fährte, bis sie in die Nähe der Sasse kommen.
Gerade in dieser zweiten Arbeitsphase, die mal einfach sein, mal aus Feinarbeit, aus Nuancen, Details bestehen kann, sieht man, so sagen die Kenner, die ganze Klassizität der einzelnen Segugi: ihre Nasenleistung, die Sicherheit beim Bewerten der Fährte und bei der Lösungsfindung im Falle des Fährtenverlustes, und bei Paar- oder Meutenarbeit auch ihren Gruppengeist.
Die 3. Phase ist das Hochmachen, "lo scovo". Sie ist unverzichtbar, bestimmt sie doch den Ausgang der Jagd (oder der Prüfung): In der Nähe der Sasse angelangt muss der Segugio zunächst klar zeigen, dass er Wild in der Nähe wittert und entschlossen ist, den Hasen aufzumachen oder die Sasse, die gerade eben erst verlassen wurde, zu erreichen. Der Hundeführer kennt aus Erfahrung die Signale, mit denen sein Segugio dies ausdrückt: beim einen ist es die große Spannung, die er ausstrahlt, das besondere Timbre der Stimme, beim anderen eine aufmerksame Haltung, aber immer hellwach auf das achtend, was um ihn herum passiert. Diese und nur diese Anzeichen sagen dem Fachmann, dass die Hunde dabei sind, den Hasen zur Flucht zu zwingen. Das mögliche Sichten des fliehenden Hasen, selbst wenn es der gesuchte ist, hat für den echten Segugioführer keinerlei Wert, sofern der Mümmelmann vorher nicht in der Nähe von seinen Hunden signalisiert wurde. Schließlich liegt die Faszination der Hasenjagd mit dem Segugio gerade darin, dass die Hunde ihre Beute wissentlich und erkennbar vorantreiben, und nicht darin, dass ein Schütze zufällig zum Schuss kommt!
Sofern der Hase von den Hunden ungesehen geflüchtet ist, kann der HF, vorausgesetzt die Segugi haben die Gegenwart der Beute korrekt und eindeutig angezeigt und hinreichend Initiative bei den geruchlichen Problemlösungen demonstriert, sie natürlich selbst auf die Fluchtfährte ansetzen.
Die folgende, 4. und letzte Phase, nämlich die Verfolgung des Hasen oder "la seguita" muss absolut sicher, die Beute bedrängend, von reichlichem Geläut (dem typischen Spurlaut der Laufhunde) begleitet, ohne Abschweife, sprich sinnloses Umhergaloppieren oder ungerechtfertigtes Rückkehren zu bereits bewältigtem Terrain vollzogen werden. Die Stimme, ihre Ausdrucksstärke, rhythmische Frequenz, Timbre und Ton sind in diesem Stadium von größter Wichtigkeit.
Bei Paaren und Meuten ist wiederum die Sicherheit, Hartnäckigkeit und Initiative jedes einzelnen Hundes zur Problemlösung bedeutsam, und ebenso der perfekte Zusammenhalt der Gruppe notwendig und deshalb gefordert. Oder wie Gian Carlo Bosio es ausdrückt: "Die Beharrlichkeit und Überlegtheit, die Schnelligkeit im richtigen Verhältnis zur Nasenleistung gehören zu den unverzichtbaren Gaben des guten Segugio während der Verfolgung der Beute, eines Segugio, der meiner Ansicht nach heute recht selten ist. (…) Die Fähigkeit zur Verfolgung bedeutet nicht Tempo! Der Hund, der ein wahres As bei der Verfolgung ist, wurde absichtlich in schwierigen und abweisenden Terrains geformt, damit er sich angewöhnt, sämtliche seiner Ressourcen anzuwenden und maximal auszuschöpfen. Wieviele Schwierigkeiten es heute bei der Jagd im Flachland gibt, wissen die Laufhunde-Leute zur Genüge. Ein Segugio, der sich in der Ebene als guter Verfolger erweist, wird es deshalb auch in den Bergen sein, nachdem er sich eingewöhnt und den "Mut" und die notwendige Hartnäckigkeit entwickelt hat, um die Beute auch dort zu verfolgen, wo der Jäger ihm nicht helfen kann. (…) Die Sicherheit der Verfolgung hängt natürlich von der Nasenleistung ab. Je besser und "erfahrener" die Nase, desto konstanter und fehlerfreier die Verfolgung."
Zu Beginn dieser eigentlichen Hasenhatz dürfen sich die Segugi nur von Umwelthindernissen bremsen lassen, denn alles andere würde bedeuten, dass sie die Fährte im Ernst verloren haben, und das ist für einen Segugio in dieser Phase der Jagd kaum verzeihlich. Dauert die Verfolgung freilich länger, und Meister Lampe hat es geschafft, inzwischen genügend Distanz zwischen sich und die Hunde zu bringen und vor allem: in seine Trickkiste zu greifen, muss der HF selbstverständlich auch die Schlauheit des Hasen einkalkulieren und den Segugi zugestehen, diesen "legitimen" Fährtenverlust auf ihre Weise wettzumachen. Anders als in der 2. Phase, der Annäherung an die Sasse, soll der Segugio die Fährte allerdings rascher wiederfinden, wobei die Schnelligkeit hier immer in Relation zu den Möglichkeiten des Hundes bzw. der Meute, der momentanen Situation und unter Beachtung der Korrektheit der typischen Arbeit verstanden werden muss. Der HF darf und wird den Hunden dabei natürlich ggf. helfen.
Um noch einmal Bosio zu zitieren: "Im Moment des Fährtenverlustes braucht der Segugio andere Qualitäten, nämlich Überlegung, Ruhe und Beharrlichkeit. Überlegung deshalb, weil Problemlösungen Konzentration erfordern. Hunde, die nicht "überlegen" können, wissen sich auch nicht zu konzentrieren und finden selten eine Lösung. Der intelligente Hund hingegen lässt seine grauen Zellen arbeiten, nutzt auf die bestmögliche Weise sein Erinnerungsvermögen und seine geruchliche Leistungskraft aus und kommt zum Erfolg. Beharrlichkeit oder Hartnäckigkeit dürfen nie mit Sturheit verwechselt werden. Letztere ist immer verderblich und Ausdruck geringer Intelligenz. Sich an einer verlorenen Fährte zu lange festzubeißen, wie der sture Hund es tut, ist nutzlos, vor allem dann, wenn der Hundeführer nicht präsent ist. Es ist fast immer vergebene Mühe. Manchmal hört man Geschichten von Segugi, die eine Fährte nach vielen Stunden wiederfanden. Geschichten aus der Vergangenheit… Bestenfalls Zufälle, behaupte ich. Denn der weise Hund muß nach einer halben Stunde erfolglosen Tüftelns auf der verlorenen Fährte dem Ruf des Hundeführers folgen und zu ihm zurückkommen."
Wenn die Segugi die Fährte tatsächlich völlig verlieren und eindeutig nicht wieder aufnehmen können, sollten sie also sowohl im praktischen Jagdbetrieb und erst recht bei Leistungsprüfungen, die normalerweise 45 Minuten dauern, zurückgerufen und angeleint werden. Denn Hunde, die nutzlos umherwuseln sind, unter der Voraussetzung, dass der HF sie nicht schlecht oder ungenügend eingearbeitet hat, wie gerade erläutert, weder für die laufende Jagd noch für die Zucht brauchbar. Dasselbe gilt, stets unter vorheriger Klärung menschlicher Mitschuld oder Ausbildungsversäumisse (!), auch für schußscheue und nicht spurlaute Segugi, bissige Individuen, solche, die während der Jagd andere Haustiere angreifen, sich als unführig erweisen, auf eine fremde Fährte überwechseln oder, jeden Appell ignorierend, anderes Wild als den Hasen verfolgen, bei der Paar- oder Meutearbeit ihre Gefährten massiv stören oder gar auseinander treiben, sich bei der realen Jagd (oder Prüfung) irgendwann absetzen und erst lange nach Ende wieder einfinden, psychisch labile Hunde und solche, die grundlos, zur Verwirrung des HF und der etwaigen Meutegenossen, Laut geben.
Andersherum und positiv ausgedrückt: ein wahrer Segugio nimmt auch im Paar oder in der Meute aktiv an den 4 Arbeitsphasen teil und leistet willentlich einen nützlichen Dienst für den erfolgreichen Ausgang der Jagd. Tatsächlich sind in der Meute "vollständige" Hunde gefragt, reich an Persönlichkeit und Temperament, aber bereit und fähig, den eigenen "Egoismus" dem Gruppengeist unterzuordnen.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass einige Segugi dazu bestimmt sind, sich bei der Meutearbeit dadurch zu profilieren, dass sie gewisse Anlagen oder ausgeprägte Fähigkeiten bei der Ausführung bestimmter Arbeitsphasen zeigen. Solche Hunde, die sich "mit der eigenen Spezialisierung identifizieren" sind nicht unbedingt nötig, sagen Segugioführer liebevoll, aber ihr Vorhandensein ist schätzenswert und verschafft der Jagd eine ganz besondere Atmosphäre. Auf ihre Arbeit und Besonderheiten kommen wir in einem gesonderten Beitrag zurück, weshalb sie hier nur kurz vorgestellt werden sollen: der "marcatore" ist besonders begabt für die Verfolgung der kalten Fährten. Der "conduttore" tut sich vor allem in der 2. Phase der Jagd hervor, wenn die Meute der frischen Fährte folgt. Der "rimettitore" ist darauf spezialisiert, die von der Meute verlorene Fährte (oder die Beute selbst) wiederzufinden. Das Talent des "scovatore" liegt darin, die Beute aus ihrem Versteck zu sprengen. Und der "guidatolo" oder "maestro" ist, wie die Bezeichnung schon suggeriert, der Meisterhund, der es wunderbar versteht, die Meute zu führen und bei der Arbeit zu motivieren.

Quellen: "I segugi nascono uguali, la lepre li rende diversi", von Mario Quadri in I nostri cani 6/99;
"Il grande inseguitore" , von Gian Carlo Bosio in I nostri cani 12/02;
"Che cos'è una prova di lavoro?", von Giacomo Gabriele Morelli.

Die Segugi auf diesen Fotos sind Zanna, Mary, Thel, Diva, Sonia, Tosca und Tito, Züchter: Filippo Maga, Führer: Siro Quaroni.
Alle Fotos: Sabine Middelhaufe

 
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