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Jägers Kitz Rettung




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Jägers Kitz Rettung
Von Engelbert Braun

Wenn im Mai die Ricken beginnen, ihre Kitze zu setzen, stehen den Jagdpächtern arbeitsreiche Wochen bevor, denn bevor die Bauern die Wiesen mähen, suchen die Jäger, meist in aller Herrgottsfrühe, die Kitze aus den Wiesen und oft genug folgt ihnen dabei das Mähwerk schon auf den Fersen.
§1 des deutschen Tierschutzgesetzes sagt, dass es strafbar ist, einem Tier grundlos Leid zuzufügen. Das würde angesichts des frühen Zeitpunktes zu dem heute für die Gras-Silage gemäht wird aber unweigerlich passieren. Bei Wiesen, auf denen z.B. Heu für Pferde gemacht wird, ist der Mähzeitpunkt hingegen viel später, die Kitze sind schon älter und springen bei dem Lärm der nahenden Maschinen von selbst rechtzeitig ab. Eigentlich sind Bauern verpflichtet, alles dafür zu tun, dass den Kitzen nichts zustößt und müssten selber die Wiesen absuchen, aber man schiebt die Arbeit halt gerne dem Jagdpächter zu ...

Ricke kurz vor dem Setzen.
Startfoto: neugeborenes Kitz.

Die Kitze, oft Zwillinge, werden von der Mutter im hohen Gras „gesetzt“ (daher die Bezeichnung Brut- und Setzzeit). Sie liegen nach der ersten Versorgung durch die Ricke dann allein in einem Umkreis von etwa 80 m und die Mutter entfernt sich nun zum Äsen. Ungefähr bis zu einem Alter von einem Monat sucht die Ricke ihre Kitze nur zum Säugen auf: sie ruft, die Kleinen antworten und so treffen sie sich in der Wiese. Egal was sonst passiert oder kommt, die Kitze bleiben liegen und drücken sich auf den Erdboden. Leider wissen das auch die Sauen und so fallen Kitze oft den Wildschweinen zum Opfer. Eine leichte Beute sind die wehrlosen und fluchtunfähigen Tierchen natürlich auch für Füchse und freilaufende Hunde. Die Ricken (süddts. Geißen) stehen zwar in der Nähe am Wiesenrand Richtung Waldrand und haben das Gelände mit ihren Jungen sehr wohl im Auge, aber helfen können sie ihnen im Bedarfsfalle eben nicht.

Kitze bleiben bewegungslos im hohen Gras liegen wenn Gefahr droht.

Sobald wir in unserem Revier wissen, wann welche Wiesen gemäht werden, gehen wir mit möglichst vielen Leuten und dem einen oder anderen angeleinten Jagdhund nebeneinander systematisch die Wiesen ab. Die Distanz zwischen den einzelnen Helfern ist dabei abhängig vom Bewuchs auf der Wiese. Ist er dünn und gagelig reicht ein Abstand von 3 - 4 m, ist er dicht und hoch (z.B. Kleewiese) erlaubt das höchstens Abstände bis zu 1 m. Das Gras oder der Klee kann anschliessend natürlich noch problemlos abgemäht werden; auf dem Rückweg durch den Bewuchs erkennt man kaum die Spuren, die wir beim Hinweg hinterlassen haben.

Um die Kleinen zu finden, muss man schon aufmerksam suchen.

Nur durch aufmerksames Hinsehen kann man freilich die Kitze entdecken, die sich ja ihrerseits ängstlich weg ducken. Manchmal muss man sich auch bücken und nach Grasbüscheln suchen, die wie ein Nest aussehen oder Ochsenzungen auseinander biegen, da kleine Kitze oft unter Büscheln von Ochsenzungen versteckt sind. Selbst die Hunde finden Kitze nur zufällig beim Durchlaufen.

Jäger und Hund gönnen sich eine Pause bei der anstrengenden Suche nach den Kitzen.

Werden wir schliesslich fündig, bleibt ein Helfer in der Nähe des Kitzes stehen, ein anderer holt einen Korb oder großen Karton und der wird erst einmal über das Junge gestülpt. Dann suchen wir in der näheren Umgebung den Zwilling des Kleinen. Ist auch der gefunden, nimmt ein Helfer einige Grasbüschel in die Hände, greift, um möglichst wenig menschliche Witterung zu hinterlassen das Kitz damit und bringt es zum Wiesenrand in den Schatten.

Gefunden!

Wenn man Kitze aufnimmt, muss man übrigens recht gute Nerven haben, denn sie schreien laut und jämmerlich um ihr Leben. Das erste Kitz wird ebenfalls so unter dem Karton hervor geholt und dann beide Tierchen entweder gemeinsam unter einen, oder wenn die Körbe zu klein sind, jeder unter einen Korb gelegt, der noch mit Grasbüscheln abgedeckt wird. Dies getan müssen die Kleinen geduldig darunter liegen bleiben, bis die betreffende Wiese und weitere, angrenzende abgemäht sind.

Und jetzt heisst es abwarten...

Ist es soweit, befreien wir die Tierchen aus ihrer Sicherheitsverwahrung: man nimmt einfach die Körbe ab und die Kitze bleiben, je nach Alter, noch verdattert liegen oder laufen eilig davon. Sobald wieder etwas Ruhe eingekehrt ist und wir uns zurückgezogen haben, kümmert sich die Mutter sofort um die Kleinen.
Bekanntlich nehmen Ricken ihre Jungen nicht mehr an, wenn sie plötzlich intensiv nach Mensch (oder Hund!) riechen, weshalb wir sorgsam darauf achten, sie nicht mit bloßen Händen zu berühren und vor allem der Versuchung widerstehen, die niedlichen Kitze zu knuddeln und zu streicheln.

Eine recht effektive Methode, Kitze vor den Mähmaschinen zu retten besteht auch darin, am Abend vor dem geplanten Mähen grosse, leere Müllsäcke über 2,5 – 3 m hohe Stangen zu stülpen, den offenen Teil der Tüten am Stock fest zu binden und die so vorbereiteten Stecken in ungleichmäßigen Abständen von ca. 50 m über die Wiese verteilt aufzustellen. Zur Ergänzung hängt man am Waldrand noch ein paar Säcke in die Bäume, die ebenfalls im Wind flattern und Geräusche produzieren, stiftet selbst noch ein bisschen Unruhe und kann dann ziemlich sicher sein, dass die Mutter ihre Kleinen über Nacht aus der Gefahrenzone entfernt. Sicherheitshalber muss die Wiese morgens früh vor dem Mähen aber noch durchgegangen werden, denn man weiss ja nie....

Fotos 1, 4 - 7, 10 - 14 Sabine Otto fotojaegerin.de; Foto 2: Sabine Middelhaufe; 3, 8, 9 Engelbert Braun
(c) Text 2010

 

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