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Jagd & Jäger in Italien


Hasenjagd mit Segugi und Segugisti

 

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Hasenjagd mit Segugi und Segugisti
Von Engelbert Braun

Unser Besuch im Oltrepò Pavese im Frühjahr 2010 hatte uns Lust auf mehr gemacht. Da wir damals durch widrige Umstände nicht die Möglichkeit gehabt hatten, die Leistungsprüfung der Segugi beim Trofeo Montecalvo live zu erleben, wählten wir nun den Herbst und damit den Anfang der italienischen Jagdsaison, um Segugi (Plural von Segugio) und Segugisti, das sind die Jäger, die mit diesen Laufhunden jagen gehen, bei der Hasenjagd begleiten und beobachten zu können.
Am 3. Sonntag im September ging in Italien wie immer die Federwild- und Hasenjagd auf. (Die Wildschweinjäger müssen sich stets bis zum 1. Oktober gedulden.) Glücklicherweise konnte Sabine mir nun dank ihrer guten Kontakte zu den Jägern etwas mehr Einblick in die Hasenjagd verschaffen. Schon bald traf ich mich zum ersten Mal mit einer Segugio Jagdgesellschaft: ich war bei Mario Villa aus Ponte Nizza eingeladen, dem Sabine mich und meine Nuccia im Frühjahr 2010 vorgestellt hatte, und ich freute mich auf einen Jagdtag mit ihm und seinen Hunden.
Mario ist ein bemerkenswerter, angenehmer Mensch, der mit einem profunden Wissen über die Zucht und die Bewertung der Laufhunde aufwarten kann. Er züchtet selbst seit fast 50 Jahren Segugi Italiani und lange auch Petit und Griffon Bleu de Gascogne in einer vorbildlichen Zwingeranlage und ist seit über 17 Jahren FCI-Prüfungsrichter für alle Laufhunderassen.


Oben: Eingang zur Zwingeranlage. Unten: Marios Haus und Treffpunkt der kleinen Jagdgesellschaft.

Marios Grundstück liegt an einer recht ruhigen Straße im Gemeindeteil Risaia von Ponte Nizza.
Im Frühjahr 2010 hatten wir durch Sabines Vermittlung und unter Inanspruchnahme ihrer Dolmetscherdienste die Möglichkeit, seine Zuchtanlagen zu besichtigen. Wir waren begeistert, wie sauber und ordentlich hier alles eingerichtet war.
In geräumigen Zwingern, die allesamt mit Markisen gegen zu starke Sonneneinstrahlung abgeschattet werden konnten, waren die erwachsenen Hunde stets paarweise untergebracht.
Für Mutter-Kind-Gruppen gab es einen separaten Teil mit grossem Auslauf vor den Zwingern.

Oben: Erwachsene Segugi waren paarweise in grossen Zwingern mit Pritsche, Hütte und extra "Schlafstube" auch im Innenbereich des Gebäudes untergebracht.
Unten: Für Mütter mit bereits unternehmungslustigen Welpen stand ein spezieller Bereich der Anlage zur Verfügung.

Ältere Junghunde schliesslich, waren in einem umzäunten Gehege mit fest überdachtem Bereich und einer großen sauberen Wiese untergebracht. In diesem Auslauf konnten sich bei gutem Wetter auch die älteren Hunde im Turnus die Beine vertreten.
Dafür, daß so viele Hunde (obwohl Mario schon drastisch reduziert hatte, da er sich kleiner setzen wollte) dort lebten, war es trotzdem angenehm ruhig. Keine aufgeregte Kläfferei, nur ab und zu ein Hund, der kurz Laut gab. Mario konnte jeden Hund mit Namen ansprechen und an dem einen oder anderen die besonderen Merkmale des Segugio Italiano erläutern. Der angesprochene Hund blieb so lange brav stehen, bis Mario ihn mit einem „vai“ und dem entsprechenden Handzeichen wieder wegschickte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich war sprachlos.

Oben und unten: Junghunde leben paarweise oder in Gruppen in teilüberdachten Zwingern mit direktem Zugang zu umzäunten Wiesen.

Nun, für den Morgen der Jagd hatte ich mir den Wecker auf 4 Uhr 30 gestellt, denn ich wollte unbedingt pünktlich am Treffpunkt bei Mario auftauchen. Um 6 Uhr wollten wir uns bei ihm zu Hause treffen. Für die ungefähre Fahrzeit von Località Roncassi in den Bergen bis hinunter nach Ponte Nizza im Tal des Flusses Staffora musste ich mich auf mein Gefühl verlassen, denn ich hatte keine genaue Vorstellung, wie lange ich da unterwegs sein würde. Schon bis zur nächsten Hauptstraße würde ich eine ganze Weile brauchen...
Beim Anziehen ein panino (Brötchen) gefrühstückt und dann von meiner Frau verabschiedet, die noch weiterschlafen durfte. Nuccia war überhaupt nicht einverstanden, daß ich mich alleine davon machen wollte. Es wäre aber nicht sinnvoll und auch kontraproduktiv gewesen, sie mitzunehmen.
Als ich aus der Blockhütte der Pernice Rossa trat, empfing mich ein frischer kühler Spätsommermorgen. Es war noch dämmrig und tief im Himmel hing ein orangefarbener, leicht in Dunst gehüllter riesiger Vollmond. Der Himmel schien fast wolkenlos mit einem grau-rosa Schimmer und versprach einen schönen Tag.

Ich hatte die Länge der Fahrtstrecke zum Glück richtig eingeschätzt und kam kurz vor den Anderen auf dem Platz vor Marios Haus an.
In Italien verlässt man nicht nach ausgiebigem Frühstück das Haus um zur Jagd zu gehen, sondern macht Station in der Bar, um dort seinen caffé (Espresso) oder Cappuccino zu trinken und süßes Hefegebäck, brioche, zu essen. Es wird dabei ein wenig getratscht, Pläne geschmiedet und in unserem Falle auch die Jagdkarten ausgefüllt, die jeder Jäger mitführen muss.
Nach diesem Frühstück brachen dann einige unserer kleinen Gruppe schon in das vorgesehene Jagdgelände auf. Ich musste noch einen Augenblick warten, bis mich Marios Freund, der an diesem Tage auch der Hundeführer sein würde, abholte. Er hatte fünf Segugi aus Marios Zucht "di Pontenizza" in seinem Wagen, und ich war erstaunt, dass man von denen keinen Mucks hörte!
Ich fuhr mit ihm ins abgesprochene Gebiet, und dort angekommen stattete er zwei Hunde mit Halsbandsendern aus und hängte jedem sein Glöckchen um, bevor sie los laufen durften.

Es geht los!

Sobald sie festen Boden unter den Läufen spürten gingen die Nases runter und ein Gewusel los.
Zuerst mussten noch wichtige „Geschäfte“ erledigt werden; dabei konnten sie aber schon kaum mehr die Nasen vom Boden nehmen. Mit tiefen Nasen stürmten die fünf schliesslich, jeder für sich, aber alle in ständigem Kontakt miteinander, kreuz und quer in kleinen Bögen über die Wiese, immer von hellem, aufgeregtem Jiffen begleitet, das dem Hundeführer sagt, dass zumindest Wildwitterung da ist - wie frisch, das muss sich zeigen.
Wenn einer der Hunde meinte, eine Nachtfährte gefunden zu haben, änderte sich die Tonlage seines Geläuts und alle anderen kamen zu ihm gelaufen, um die Stelle ebenfalls zu untersuchen. So wurde die Wiese systematisch abgesucht, doch leider fanden sie keine frische Fährte, die deutlich aus dem Gelände heraus führte und wir zogen weiter zum nächsten Acker.
Hier ging die Arbeit ohne Unterbrechung weiter.

Auf der Suche nach der Nachtfährte.

Beim Wechseln von einem Acker zum anderen konnte ich übrigens erleben, wie wichtig es ist, beim Über- oder Durchsteigen von unwegsamem Gelände die Waffe zu entladen! Wir mussten nämlich eine Böschung hinunter klettern, die von Brombeeren und anderen Schlingpflanzen bewachsen war; dass sich darin auch noch ein Draht verbarg war leider nicht zu erkennen. Mein Jagdführer blieb also unerwartet mit dem Fuß hinter dem Draht hängen und fiel die Böschung herunter auf seine Waffe... Zum Glück passierte ihm nichts weiter, aber mit geladener Flinte hätte das schief gehen können!
Die übrigen vier Schützen unserer Gruppe waren etliche hundert Meter und natürlich jenseits der offenen Flächen abgestellt und verständigten sich leise über Sprechfunk mit dem Hundeführer. So waren immer alle über den Jagdverlauf informiert, auch wenn sie die Hunde einmal nicht genau hörten, und konnten bzw. mussten im Bedarfsfalle natürlich auch ihre Positionen entsprechend der Bewegung der Meute ändern.

Italienische Jäger müssen deutlich sichtbar ihr gelbes "Nummernschild" des laufenden Jagdjahres tragen, das auf den ersten Blick zeigt,
in welcher Region Italiens und in welcher lokalen Jagdzone genau sie dort zu jagen autorisiert sind.

Unsere Meute war inzwischen, einer sorgsam entzifferten Nachtfährte vom Acker hinaus folgend zum Heben des Hasen gekommen und hielt nun laut und weithin vernehmbar den Mümmelmann in Bewegung. Nach einer Weile hörte ich ihr Geläut nur noch in weiter Entfernung und dann - Schüsse! Kurz darauf wurde auch in unserer Nähe ein paar Mal geschossen und wie sich herausstellte, hatte der Älteste der Gruppe Waidmannsheil gehabt!
Die Segugi kehrten nach und nach zu ihrem Führer zurück und begannen die zweite Suche.
Zeitweise waren sie an ihrem ausdrucksvollen Geläut, manchmal aber auch nur anhand ihrer Glöckchen zu vernehmen, wenn offensichtlich nicht einmal die schwächste Witterung vorhanden war, um ihnen wenigstens ein erregtes Jiffen zu entlocken.

Ist der Hase zur Strecke gebracht, kehren die Segugi von allein zum Führer zurück.

Nach einigen ergebnislos abgesuchten Ackerstreifen verloren sich die Stimmen der Hunde plötzlich in den nahen Hügeln, und auch die Glöckchen waren nicht mehr zu hören.
Mein Begleiter erklärte mir, dass sie wahrscheinlich gerade der Versuchung einer frischen Rehfährte erlegen waren, was sie natürlich nicht sollten, doch um sie von der verbotenen Fährte abrufen zu können waren sie nun schon zu weit entfernt...
So warteten wir rund 20 Minuten vergebens auf ihre Rückkehr, und schliesslich einigten sich die Jäger per Sprechfunk darauf, dass Mario Villa, der von diesem Zwischenfall wenig begeisterte Jagdleiter, rasch einige seiner Hunde von zu Hause holen würde, um an einer anderen Stelle im selben Gebiet noch eine neue Suche zu machen.

Warten auf den Hasen oder die Ausreisser...?

Der glücklose Hundeführer und ich trafen die anderen Jäger also bei den Autos und konnten nun auch dem ältesten Waidkameraden zum erlegten Hasen gratulieren. In Italien geschieht dies mit einem herzhaften Händedruck und „Auguri“, was auf deutsch "Glückwunsch" heißt. Einen speziellen Ausdruck wie unser Waidmannsheil verwenden die italienischen Jäger nicht.
Von der Meldung der Halsbandsender geleitet fuhr der Hundeführer los, um seine Vierläufer wieder einzusammeln.

Damit die Jagd weiter gehen konnte, holte Mario rasch einige Hunde aus seinem Zwinger.

Wir anderen hingegen wechselten das Jagdgebiet und trafen dort Mario mit seinen Segugi.
Er hatte sechs Hunde mitgebracht und ich hatte den Eindruck, dass sie etwas größer waren als die der ersten Meute. Die neuen Hunde wurden natürlich auch wieder mit Glöckchen ausgerüstet, wie das bei dieser Rasse Tradition ist, und dann ging die nächste Suche los.
Die Meute stürmte auf die Wiese und inspizierte das Terrain genau. Ich folgte Mario immer mit etwas Abstand und versuchte, ihm und vor allem seiner Flinte möglichst nicht im Wege zu stehen.
Nach einiger Zeit wies er mich an, auf einer Anhöhe an einem Gebüsch stehen zu bleiben. Ich schaute aufmerksam in die Richtung in die er weiter gegangen war und aus der ich das Hundegeläut hörte, sah aber nichts. Und dann, ganz plötzlich, nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Da kam wahrhaftig ein Hase ganz gemütlich auf mich zu gehoppelt! Ich war verdattert und suchte vor allem nach einem Jäger, dem ich hätte „Lepre!“ (Hase) zurufen können. Da aber niemand zu sehen war bestaunte ich nur das Häschen. Das wurde erst durch eine Bewegung von mir auf mich aufmerksam, schlug in 15 Schritt Entfernung einen Haken und hoppelte den Berg hinab.

Hase auf der Flucht.

Gut eine Minute später folgte die laute Meute dem Hasen auf der Fährte, überschoss aber zunächst den rechtwinkligen Abgang. Mümmelmanns Tricks führen eben sehr erfolgreich die Verfolger in die Irre! Nach den Hunden tauchten auch wieder Jäger auf, denen ich versuchte, das Erlebte zu erklären. Ich wurde vor allem gefragt „lepre o coniglio?“ (Hase oder Kaninchen?), was ich zweifelsfrei mit „lepre“ beantworten konnte.
Ich hatte den Hasen zuletzt etwa 200 m unterhalb meines Standortes an einer Eiche gesehen, was ich den anderen auch noch klarmachen konnte.
Mario sammelte also seine Segugi um sich und wies ihnen die Fluchtrichtung des Langohrs. Die Hunde nahmen die Fährte sofort wieder auf und verschwanden bald allesamt aufgeregt Laut gebend unterhalb des Hügels bei besagter Eiche.
Kurze Zeit später fielen Schüsse; Mario hatte den zweiten Hasen dieses Tages erlegt und damit endete die Jagd.

Auf der Fährte.

Inzwischen war auch der erste Hundeführer zurück gekommen, der seine Segugi wieder im Wagen hatte. Alle Hunde durften nun den geschossenen Hasen ausgiebig beschnuppern und auch mal an der Wolle zupfen. Sie wurden dabei überschwänglich gelobt und bekamen schliesslich ausgiebig zu trinken.
Auch den Hundeführern waren die körperlichen Belastungen anzusehen. Hasenjagd mit Segugi ist in erster Linie eine sportliche Betätigung, die eine gehörige Leistungsfähigkeit erfordert. Erst in zweiter Linie wird Beute gemacht. Viele Jagden gehen auch ohne Beute aus, wenn die Schützen den Hunden nicht schnell genug folgen können oder sie die Richtung, die die Meute nimmt, falsch eingeschätzt haben. Aber es ist eine Lust, in so engem Kontakt mit den vierläufigen Jagdkameraden zu arbeiten! Der klare Klang des Hundegeläuts in der hügeligen Gegend bei Sonnenschein im Oltrepo Pavese wird mir wohl immer in den Ohren nachklingen.

Nach getaner Tat dürfen die Hunde die Beute ausgiebig beriechen.

Nachsatz zum Schluß: Mittlerweile konnte ich meinen Segugio Mischling Nuccia auch frei laufend auf Drückjagden erleben. Leider habe ich es noch nicht raus, sie anhand ihres Lautes genau zu verstehen. Aber daß sie ausdauernd laut jagt und auch im bejagten Gelände bleibt, konnte ich feststellen. Sie kam auch zwischendurch, wie bei braven Segugi üblich, immer man bei mir vorbei, holte sich ein Leckerchen, Lob oder Wasser ab und schoß dann wieder ins Treiben zurück. Nach „Hahn in Ruh“ war sie auch wieder bei mir an der Leine.
Wenn ich ihr heutzutage die Schutzweste mit dem Glöckchen überziehe, ist sie total aus dem Häuschen, und ihr Spurlaut klingt in den Sauerländer Bergen genau so herrlich, wie der der Segugio Meuten in Italien. Kürzlich habe ich mir einen "Tracker" zugelegt, mit dem ich Nuccias Bewegungen über mein Mobiltelefon beobachten und sie im Bedarfsfalle orten kann. Außerdem kann ich nach der Jagd nun auf dem PC den Jagdverlauf nachverfolgen und hoffe, dadurch künftig weitere Schlüsse auf ihr Jagdverhalten ziehen zu können.


Text (c) 2012
Fotos 1, 9, 11-13 Stefan Mähler; 17 Engelbert Braun; alle übrigen: Sabine Middelhaufe.

 

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