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Die Totenwacht


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Die Totenwacht
Von Stefan Fügner

Hell peitschte der Schuß aus meiner 243er Winchester durch das Tal des badischen Odenwaldes und zerriß die Stille dieses brütend heißen Augusttages, dessen langsam sich neigende Sonne sein Ende anzeigte.
Ein Blick über die noch auf der Gewehrauflage ruhenden Waffe zu der Stelle, an der der Bock eben noch stand, zeigte einen leblosen Körper, und dies gab mir die Gewissheit, daß er den Knall nicht mehr gehört haben konnte. Sofort kehrte wieder die für die heißen Hundstage so typische Totenstille im Wald ein. Nur das kurze Klopfen der Rute meiner Wachtel an die Hochsitzwand störte diese Ruhe kurz, als ich sie streichelte, um sie an meiner Freude über den guten Schuß teilhaben zu lassen. Schließlich hatte auch sie den Bock und meinen Schuß aufmerksam auf dem Hochsitzbrett sitzend mitbeoachtet, und war sichtlich nervös.
Langsam ließ meine starke Anspannung nach. Doch mein Zittern beim Anzünden der Zigarette zeigte mir, wie sehr mich doch noch das Jagdfieber ergriffen hatte. Dann kamen wieder die Zweifel. Hast Du wirklich die Knöpfe gesehen? Hast du die Brunftkugeln genau erkannt? Hektisch zog ich an der Zigarette, die Zeit bis zu ihrem Ende wollte nicht vergehen. Dann endlich baumte ich ab und ich schritt eilig zum Bock,

Jäger beim Aufbrechen eines Rehbocks. Foto: Langmaack

schließlich wollte ich absolute Gewissheit.
Nochmals empfand ich tiefe Erleichterung, als ich vor ihm kniete und die blitzblank gefegten Knöpfe des Kümmerers befühlte, während meine Wachtel aufgeregt den toten Bock bewindete.
Doch mir blieb wenig Zeit, mich erneut zufrieden zurückzulehnen, die noch immer große Hitze des Augusttages trieb mich zur Eile, schnellstens die rote Arbeit zu verrichten.
Gewehr, Glas, Hut, Rucksack und Hund wurden abgelegt, das Messer hervorgekramt und ich begann mit dem Aufbrechen. Schon gesellten sich die ersten Fliegen zu mir, was mich nicht ruhen ließ, schnellstens den Bock zu versorgen. Als auch diese Arbeit verrichtet war, der Bock seinen letzten Bissen bekommen hatte, wollte ich den Weg zum Auto antreten, schließlich sollte der Bock schnell ins Kühlhaus. Doch dann erinnerte ich mich daran, daß ich etwas vergessen hatte. Beim Gedanken an den Weg zum Auto fiel mir ein Holzstoß am Waldrand ein, der auf halber Strecke zum Auto lag. Dort wollte ich bei meinem Bock die Totenwacht halten. Eilig strebte ich dorthin, legte die Sachen und den Hund ab, setzte mich so vor den Holzstoß, daß mir das Holz als Lehne diente, so
dass ich einen Blick über die hügelige Landschaft des badischen Odenwalds hatte. Den Bock legte ich vor mir auf den Waldboden.
Erst jetzt, nach einigen Minuten in der absoluten Stille des Waldes, beim Betrachten der so friedlich vor mir liegenden Hügellandschaft des Odenwalds und dem Anblick des erlegten Bockes überkam mich die notwendige Ruhe, das Geschehene Revue passieren zu lassen.
Nur einmal, als weit in der Ferne ein Reh schreckte, wurde ich kurz aus meinen Gedanken gerissen. Der Anblick des Wildes, das Ansprechen des Bockes, der Entschluß des Erlegens, die Freude über einen guten Schuß und einen richtigen Abschußbock gingen mir noch einmal durch den Kopf. Tiefe Zufriedenheit machte sich breit.

Doch beim Blick auf den vor mir liegenden Bock kamen auch mahnende Gedanken. Ich habe als Mensch in die Natur eingegriffen und dem Leben dieses Tieres ein Ende gesetzt. Auch die Gedanken, einem Kümmerling ein schmerzloses Ende ermöglicht zu haben, können einem die immer wieder in diesen Minuten aufkommenden Zweifel, dieses Recht zu besitzen, nicht nehmen.
Über die vielen Gedanken zur Philosophie der Jagd, die ich mir während der Totenwacht nach dem Abschuß des Bockes in der Stille des Waldes gemacht hatte, war es fast unbemerkt dämmrig geworden und am tiefblauen Sommerhimmel funkelten zaghaft die ersten Sterne.
Ich griff zu meiner neben mir liegenden Wachtel und streichlte ihr über den Kopf. Sie schaute zu mir auf und ihre schwänzelnde Rute ließ das vertrocknete Laub rascheln. "So, jetzt fahren wir zum Uli, hängen den Bock ins Kühlhaus, du bekommst dein Futter und dann gehen wir mit Uli in der Krone den Bock tot trinken!" Als Gewehr, Glas, Hut und Bock am Mann sind, springt die Wachtel fröhlich im letzten Büchsenlicht vor mir her zum Auto, schließlich hatte sie das Wort "Futter" deutlich aus meinem Satz herausgehört. Ich jedoch bin glücklich, meinem Bock die letzte Ehre erwiesen zu haben, denn für mich ist die Totenwacht ein wichtige Phase der Besinnung und immer der ganz persönliche Abschluß eines erfolgreichen Jagdtages.

 


Links: Stefan Fügner und seine Wachtelhündin. Foto: Fügner

 
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