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Jagd & Jäger in Italien


Was wird gejagt
- Wildschwein
- Reh: die italienischen Förster und der Bambi-Mord

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Was wird gejagt?

Übersicht der näher behandelten Wildarten:

Wildschwein
Reh - die italienischen Förster und der Bambi-Mord
Hirsch
Damwild
Gemse
Hase
Fuchs
Ente
Rebhuhn
Steinhuhn
Wachtel
Schnepfe
Fasan
Lerche
Drossel
Wildschwein
Das große Aussterben der Wildschweine begann lt. Quellen des WWF in einigen italienischen Regionen schon im 17. und 18. Jh..
Sauen waren nach dem 2. Weltkrieg schließlich so rar, dass in den 1950ern eine massive Wiedereinführung von Tieren vor allem aus Osteuropa begann, die größer und robuster waren als die ursprünglichen italienischen Wildschweine und sich zudem schneller vermehrten. Erst später gelangten auch italienische Sauen aus nationalen Zuchtstätten in den Repopulationsprozess.
Heute gibt es nicht nur feste Populationen im ganzen Land; in den letzten 30 Jahren des 20. Jh. verfünffachte sich ihr Verbreitungsgebiet sogar.
Nach vagen Schätzungen in den 1990ern waren vor rund 10 Jahren 300.000-500.000 Exemplare vorhanden. Sehr zur Freude der Jäger, die etwa in der Saison 1998/99 (also vom 1.10.98 - 31.12.98 bzw. 1.11.98 - 31.1.99) mindestens 93.000 Stücke schossen.
Gegenwärtig sind Wildschweine ungeachtet der starken Bejagung in Italien vielerorts eine massive Plage. Sie zerstören insbesondere die Kartoffel,- Mais,- Weizen- und Weintraubenernte in vielen Gegenden. Doch trotz der beträchtlichen Schäden, die sie landesweit anrichten, wird in manchen Gebieten weiterhin die illegale "Auswilderungen" aus speziellen Zuchten fortgesetzt.
Laut Analyse vieler Institutionen und Organisationen war die Wiedereinbürgerung des Wildschweins in Italien ein völlig unkontrollierter Prozess, der keine Rücksicht auf gesundheitliche Aspekte der Wild- und Hausschweinbestände nahm (Gefahr von Schweinepest sowie Einschleppung anderer Krankheiten), und noch viel weniger auf die Grundprinzipien des Wildmanagements.
(Quelle:
Dossier caccia)
Die Saujagd dauert normalerweise 2 Monate; vom 1.10. - 31.12. bzw. vom 1.11. - 31.1. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt ist sie eine vorwiegend lokale Angelegenheit. In jeder Gemeinde mit Wildschweinbeständen existiert eine sog. "squadra dei cinghialisti", also eine feste Gruppe von Wildschweinjägern, die innerhalb der territorialen Grenzen der Gemeinde zwei- oder dreimal pro Woche auf Borstentiere jagen gehen kann, nämlich - bei uns - mittwochs und alternierend samstags oder sonntags.
Wildschweine werden mit Laufhundemeuten, "segugi", gejagt. Neben dem reinrassigen Segugio Italiano, einem mittelgroßen, windhundhaften Laufhund mit Kurz- oder Rauhhaar, werden auch unendlich viele lokale Mischungen aus Segugio, frz. Bracken (v.a. Petit Bleu de Gascogne und Ariégeois), Terriern und Unbekannt eingesetzt.
Die mindestens 6 Hunde und, sofern das Gelände es erlaubt, einige menschliche Treiber, versuchen, die flüchtenden Sauen in Richtung der zahlreichen Schützen zu drängen, ein Unterfangen, das keineswegs immer und erst recht nicht sofort gelingt. Wildschweinjagd ist deshalb vor allem die rasante Fahrt mit dem Jeep, quer durch Wald und Heuwiese, von einem Posten zum nächsten, und zwischendurch eine Geduldsübung, wenn man, Gewehr geschultert, endlos lange im kalten Herbstregen am selben Fleck stehen muss, in Erwartung einer heranstürmenden Sau, die vielleicht niemals erscheint.
Die Wildschweinjagd in Italien ist lt. WWF in aller Regel nicht selektiv. Man schießt, was einem vors Gewehr gerät, ungeachtet des Alters, Geschlechts oder Zustandes der Tiere. Das bewirkt begreiflicherweise sehr negative Veränderungen in der demografischen Struktur des Bestandes, da z.B. der Tod der führenden Bache die Bildung von Gruppen aus vorwiegend juvenilen Tieren begünstigt, die ohne Leitung und Erfahrung vorzugsweise in Anbauflächen ihre Nahrung suchen und damit den Wildschaden noch beträchtlich erhöhen. (Quelle: Dossier caccia)

Wildschweine kann man selbstverständlich auch in Jagdtourismusbetrieben schiessen. Zu gesalzenen Preisen. Hier ein Angebot aus den Jahren 2003/04:
"Jagd für mind. 7 bis max. 14 Personen: 220,- Euro Teilnahmequote pro Person. Im Preis inbegriffen sind: Erlegung der Sauen, 4 kg Wildschweinfleisch, Mittagessen am Jagdtag, Trophäen der erlegten Tiere. Die Jagd erfolgt vom Hochsitz aus."
Jagd für 5 Personen: 350,- Euro Teilnahmequote pro Person. Im Preis inbegriffen sind: Erlegung der Sauen, 5kg Wildschweinfleisch, Mittagessen am Jagdtag, Trophäen der erlegten Tiere. Die Jagd erfolgt vom Hochsitz aus."

"Einzeljagd (Erlegung des Wildes garantiert): 80,- Euro Eintrittspreis, 8,- Euro/kg junger oder erwachsener weiblicher Stücke, 8,- Euro/kg + 13,- Euro/cm der Außenlänge der Keilerwaffen männlicher Tiere.
Das erlegte Stück wird Eigentum des Jägers. Die Jagd verläuft als Suche oder vom Hochsitz aus. Berechnet wird das Gewicht des toten Stücks, das später ausgenommen und kontrolliert vom Personal unseres Betriebs dem Jäger übergeben wird."
(Quelle: Azienda faunistico-venatoria)

(c) Text: 2007

 




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Reh: Die italienischen Förster und der Bambi-Mord
Als im Herbst 2006 in Piemont der selektive Abschuss von 600 Rehen offiziell erlaubt wurde, schwappte eine Welle der Empörung über Norditalien. Vorweg sei gesagt, dass in Italien jährlich insgesamt ca. 50.000 Rehe, Zehntausende von Wildschweinen, Hirschen, Damwild und Gemsen geschossen werden - ohne sonderliche Anteilnahme der Presse oder der breiten Öffentlichkeit.
Und doch, die Tagesschau berichtete landesweit über den Bambi-Mord, Zeitungen, Zeitschriften, Internet - alle Medien stürzten sich auf das Thema und natürlich gab es Meinungen und Gegenmeinungen en masse et en detail.
Der Wildschaden für die Landwirtschaft wurde zitiert, die Zunahme von Verkehrsunfällen durch Wild auf den Strassen und die Konsequenzen für Allgemeinheit und Versicherungen. Jeder meldete sich zu Worte, oft hochemotional - nur die staatliche italienische Forstbehörde schwieg weitgehend...
Wälder und "Macchie" (die typischen ital. Buschwälder) sind, so Andrea Cutini, vom Istituto Sperimentale per la Selvicoltura das natürliche Habitat vieler Schalenwildarten, und ihre Zunahme während der vergangenen 20 Jahre ist ein klarer Hinweis auf die Verbesserung und Gesundung der heimischen Wälder. Nicht zufällig konnten bestimmte Waldregionen als echte Zentren der Wiederverbreitung seit langem seltener oder vom Aussterben bedrohter Arten dienen. So kritisierbar die Forstpolitik der 60er und 70er Jahre in anderer Hinsicht auch sein mag, schreibt Cutini, - sie hat die Verbreitung und Zunahme vor allem des Schalenwildes begünstigt. Damit ist aber auch vorhersehbar, dass deren Population in Italien kurz- und mittelfristig weiter wachsen wird. Eine Tatsache, die unbedingt Beachtung verdient, sofern man die Multifunktionalität der Wälder als Indiz guter Forstwirtschaft akzeptiert.
Während Schalenwild früher zumeist Koniferenaufforstungen in Nationalparks oder sonstigen geschützten Zonen gefährdete, belasten ihre wachsenden Bestände inzwischen auch Laubwälder und die Aufforstung von Niederwald in Privatbesitz. Mit anderen Worten: in vielen Gebieten bestimmt heute die Populationsdichte des Schalenwildes das Management der Wälder, gefährdet die Aufforstung und folglich die Stabilität der betreffenden Ökosysteme. So berechtigt die Aussage ist, dass es in einzelnen Zonen des Landes noch Raum für wachsende Schalenwildbestände gibt, so wahr ist es, dass sie anderswo die Beständigkeit der Ökosysteme und ihrer Funktion, die wirtschaftlichproduktive Seite inbegriffen, infrage stellen.
All dies bei der Diskussion um den Bambi-Mord auszuklammern, heißt, so Cutini, die Bedeutung der heimischen italienischen Wälder noch mehr zu reduzieren und zu ignorieren. Der Wald ist das schwächste Glied in der Kette von Bambis, Tierschützern, Umweltschützern, Jägern usw. Gerade die Forstbehörde ist in der Lage, kompetente Argumente zu bieten, aufzuklären darüber, dass Bambis nicht nur zarte, großäugige, unbestreitbar schöne Wildtiere sind, sondern auch eine Gefahr für Wälder und ganze Ökosysteme. Ein Umstand, den man bedenken sollte, wenn in Zukunft auch in anderen Teilen des Landes Rehe zum kontrollierten Abschuss freigegeben werden.
(Quelle:
A. Cutini , 2006. Considerazioni sul silenzio del mondo forestale in merito alla questione dei "Bambi di Alessandria")
Tatsächlich betraf der "Bambi-Mord" nicht nur Piemont. Von Friuli Venezia Giulia zu den Marken, von Trentino Alto Adige zur Lombardei, von der Toscana zur Emilia Romagna, von den Marken bis nach Umbrien hatten die Regionen den selektiven Abschuß von Reh, Hirsch, Dam- und Muffelwild ab dem 1. August für einen ganzen Monat erlaubt, in der Toskana und Emilia-Romagna war sogar eine Autorisierung für die Jagd auf Ricken und Kitze bis zum 10. März ergangen.
Wohlgemerkt werden Bambi & Co. in der regulären Jagdsaison auch bejagt. Was Tierschützer in Harnisch brachte, waren die nun noch dazukommenden, kontrollierten Jagden.

Nach vorsichtigen Schätzungen werden in Italien pro Jagdjahr mindestens 153.000 Stücke Schalenwild legal erlegt.

Das Reich der Reh-Jäger ist dabei eindeutig der Trentin mit einer jährlichen Strecke von ca. 21.000 Stücken,
gefolgt von Friuli mit rund 3.500 Abschüssen
und der Toskana mit etwa 3.300, während das Aostatal mit nur 200 Stücken das Schlußlicht bildet.
Was die Rotwildpopulation, also den Hirsch anbelangt, ist die Jagd nach Auffassung der LAV (Lega Anti Vivisezione) für den Tod von mindestens 12,5% des italienischen Gesamtbestandes verantwortlich, im Falle der Alpengemse für die Dezimierung von 10%. Allein in der Provinz Bozen (Bolzano) wurden 2003 3.833 Gemsen geschossen (nebst 9.754 Rehen und 2.558 Hirschen).
Die Provinz Genua hat übrigens für den Abschuß von Rehwild einen ganz formalen Tarif festgelegt: 52,- Euro für Kitze von 4 Monaten, 78,- Euro für einjährige Ricken, 103,- Euro für Böcke von 1-2 Jahren sowie 155,- Euro für Böcke von mehr als 3 Jahren. (Quelle: Studio 54 Web Radio/LAV)
In manchen Gebieten Italiens ist das Rehwild jedoch noch heute eine Rarität und darf nicht bejagt werden.
Wer dennoch eine Trophäe ins Wohnzimmer hängen möchte kann freilich die Angebote der Jagdtourismusbetriebe nutzen. Dort kostet der Abschuß eines Bocks, je nach Länge und Art der Stangen zwischen 800 und 1200 Euro. (Quelle: Azienda faunistico-venatoria)
Natürlich, gerade mit dem friedliebenden, scheuen Reh zu sympathisieren fällt wohl jedem Naturfreund leicht. Doch der von Tierschützern und Presse geprägte Begriff vom "Bambi-Mord" läßt auch vermuten, dass das Thema in erster Linie gefühlsmäßig angegangen wird, statt das Wild und seinen Lebensraum als notwendige Einheit zu verstehen, und in dieser hat eben auch der Wald ein Recht auf Leben.


(c) Text: 2007
Fotos: Manfred Hahn 1, 5; Sabine Middelhaufe 2, 6 und 8; Mario Draghi 3; Thies Langmaack 7; Federico Chelini 4

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