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Der Deutsch Kurzhaar als gehorsamer Allrounder
- nein, danke!


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Der Deutsch Kurzhaar als gehorsamer Allrounder - nein, danke!
Von Sabine Middelhaufe

Trotz der Omnipräsenz von Google, facebook und youtube sind deutsche Jäger und Jagdhundezüchter erstaunlich wenig und bedauerlich einseitig darüber informiert, wie ihre Vierläufer im angrenzenden Ausland eingesetzt und geprüft werden.
In umgekehrter Richtung sieht es mit dem Faktenwissen leider auch nicht besser aus und so sind Missverständnisse und Enttäuschungen vorprogrammiert.
Obwohl in Italien jährlich mehr als doppelt so viele Deutsch Kurzhaar ins Zuchtbuch eingetragen werden wie im Ursprungsland, importieren Züchter südlich der Alpen bisweilen Hunde aus Deutschland. Vor allem solche, die das deutsche Prüfungssystem bereits sehr erfolgreich durchlaufen haben und nun für nicht gerade geringe Summen den Besitzer wechseln.
Leider währt die Begeisterung ob dieser Investition oft nur sehr kurz. So auch bei dem Prüfungsrichter und ehemaligen Vorstandsmitglied des Kurzhaar Club Italiano, Dr. Fernando Capelli, einem der bedeutendsten DK Züchter in Italien und Gründer des Zwingers "Pradellinensis".

Ch. Ass. Pradellinensis Erik. Züchter: Fernando Capelli.
Titelbild: Ital. Arbeitschampion Pradellinensis Giallo. Züchter: Fernando Capelli. Fotos: (c) Bruno Decca.

"Ich habe noch nie einen deutschen Welpen erworben," erzählt Dr. Capelli. "aber zwei, drei erwachsene Hunde gekauft, die alle Prüfungen in Deutschland erfolgreich absolviert hatten. Vorab muss ich sagen, dass die DK aus meiner Zucht ein bisschen speziell sind - sehr lebhaft, unternehmungslustig, unabhängig. Mit anderen Worten: sie haben wirklich Temperament. Diese Hunde aus Deutschland nun, und auch ihre Welpen, besaßen dieses Temperament wie ich es verstehe, also diese Lebhaftigkeit, auch in ihren Aktionen oder beim Spielen, beim Spaß haben, beim Lernen, bei der Freude irgendwas zu unternehmen, nicht. Im Hinblick auf ihre Morfologie waren die Importhunde sehr, sehr schön, und sie haben mir auch sehr schöne Nachkommen beschert. In der Tat, drei Tiere aus dem Viererwurf der deutschen Hündin sind Schönheitschampions geworden. Was die Arbeit angeht waren allesamt fähig bei der Jagd, aber auf einem recht bescheidenen Niveau. Auch als ich versuchte, die Junghunde den Apport zu lehren und andere Sachen, von denen ich dachte, sie in diesen Blutlinien zu finden, hatte ich vielleicht mehr Schwierigkeiten als mit anderen Hunden. Wahrscheinlich, weil den Eltern - und die konnten wirklich alles! Wie gesagt haben sie sämtliche deutsche Prüfungen mit hervorragenden Bewertungen bestanden! - also, weil den Eltern die Dinge beigebracht worden waren, haben sie wohl nur wenig davon vererbt. Ich hatte gehofft, mit den Hunden aus Deutschland gewisse Eigenschaften in meine Blutlinie zu bringen, doch das ist nicht passiert."

Bruno Decca mit seiner Hündin Britta, aus ital. Zucht. Foto: (c) Bruno Decca.

Auch Bruno Decca, Züchter und Präsident der Regionalgruppe Lombardei des Kurzhaar Club Italiano hat es mit einem deutschen Import versucht, der ihn aber nicht wirklich überzeugen konnte.
"Der wesentliche Unterschied zu den italienischen Hunden?" resümiert er: "Der aus Deutschland war ein guter Jagdhund, ein Allrounder, mit gewissen besonderen Eigenschaften, aber uns in Italien gefallen Hunde, die die Jagdlust und Mentalität haben, um gewisse Situationen selbst zu verstehen. Die grundsätzliche Differenz, oder zumindest habe ich die in meinem deutschen Hund festgestellt, bestand darin, dass er sehr ausgeglichen war, sehr gut gehorchte, aber dem man immer wieder Anweisungen geben musste. Ein Beispiel: wenn er aus einem Dickicht kam schaute er mich an und ich musste ihm sagen, wo er als nächstes hingehen sollte. Wir Italiener bevorzugen Hunde, die autonomer sind. Ich persönlich ziehe es vor, zu pfeifen, damit der Hund zurückkommt und nicht, ihn auffordern zu müssen, dass er überhaupt voraus läuft! Ein Hund, der eine gewisse Erfahrung mit bestimmtem Wild hat, wenn ich mit dem in irgendeinem Tal jagen gehe, muss er nach zwei, drei Jahren doch von selbst wissen, dass der einzige Ort, wo sich dieses Wild verstecken kann dort hinten ist und auf eigene Initiative da suchen! Es kann nicht meine Aufgabe sein, das zu wissen und ihn dort hin schicken zu müssen."

Belen, aus ital. Zucht. Besitzer und Foto: Bruno Decca.

Alessandro Panichi, der DK aus deutscher und aus italienischer Zucht führt und dank langjähriger Freundschaften mit deutschen Jägern auch oft nördlich der Alpen jagen geht, beschreibt den Unterschied zwischen dem Kurzhaar made in Germany und made in Italy so:
"Ein Vorstehhund, der für die in Italien typische Jagd ausgebildet ist, soll sehr, sehr viel Initiative haben und die Fähigkeit, geruchliche Aufgaben, die sich ihm stellen könnten, selbständig zu lösen. Deshalb würde der durchschnittliche deutsche Jäger ihn sicherlich zu aktiv und autonom finden. Der italienische Jäger widerum empfände den DK deutscher Herkunft als viel zu abhängig von seinem Führer, ein Umstand, der dazu führt, dass man dem Hund die bei der Ausbildung in Deutschland aufgezwungenen Verhaltensweisen wieder abgewöhnt, um ihm eine, unseren jagdlichen Gepflogenheiten näher liegende Arbeitsweise zu ermöglichen."

Alessandro Panichi mit seiner dts. Import Hündin aus dem Zwinger von der Himmelsleiter. Foto: Ingeborg Völker-Engler.

Ein norditalienischer Züchter, der auf namentliche Nennung lieber verzichten möchte, kennt dieses Problem gut: er hatte für einen sehr stolzen Preis zwei DK in Deutschland erworben, beide mit ausgezeichneten Prüfungsergebnissen und entsprechender Ausbildung und musste zuhause bald feststellen, dass gerade der Gehorsam, den er bei der Vorführung der Hunde so bewundert hatte, in der Praxis zum kaum lösbaren Problem wurde.
"Ich jage fast ausschliesslich Waldschnepfen in den Appenninen", sagt er, "was nützt mir da ein Hund, der ständig auf Befehle wartet und sich höchstens 200 m von mir weg getraut? Es kann dir sehr schnell auf die Nerven gehen, wenn sich andauernd ein Hund vor dich setzt und fragend zu dir aufschaut, statt seinem Instinkt zu folgen und Vögel zu suchen! Vor allem die Hündin schien total hilflos, wenn ich ihr nicht genau sagte, was sie tun soll, und falls sie in ihrem kleinen Aktionsradius keine Schnepfe fand, kam sie sofort wieder zurück und sah aus, als ob ich ihr Prügel angedroht hätte, bloß, weil ich sie gleich wieder voraus schickte. Bei ihr wurde es auch in der zweiten Jagdsaison nicht besser und ich habe sie schliesslich einem Freund überlassen, der in der Poebene jagte, wo sie wohl ganz passable Leistungen erbrachte. Der deutsche Rüde begriff am Ende doch noch, dass er seiner Nase folgen sollte und nicht mir, und dass es völlig in Ordnung war, wenn er sehr weit ausholte. Irgendwann begann er zwar, sich mit dem Zurückkommen mehr Zeit zu lassen, als nötig, aber dafür hatte er sich diese Manie abgewöhnt, bei jeder Gelegenheit automatisch Sitz zu machen, sobald ich ihn ansah. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wieso den Hunden in Deutschland so was beigebracht wird. Ein Vorstehhund soll schnell, weiträumig und selbständig suchen und dann fest vorstehen - Ende. Die Jagd ist doch kein Gehorsamswettbewerb...?!"

Britta, aus ital. Zucht: jagdfreudig, schnell und autonom. Besitzer und Foto: Bruno Decca.

Tja, und mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Als Zuschauer findet der Jäger aus dem Süden es noch faszinierend, was ein deutscher Hund auf Handzeichen und stimmliche Befehle so alles macht, aber in der Jagdpraxis erweist sich genau das oft als äusserst störend.
Fabio Dall'Antonia ist Jungjäger und hat seinen DK von Welpenbein an nach deutschem Vorbild ausgebildet. Wie reagieren andere Jäger, wenn er von seinem Kurzhaar Disziplin und klar definierte Leistungen wie etwa den korrekten Apport verlangt?
"In Italien sind manche Verhaltensweisen vom Hund absolut nicht gefragt. In dem Sinne, dass sich der italienische Jäger nicht darum kümmert, beim Hund den Apport oder bestimmte Vorgehensweisen während der Jagdaktion mit einer gewissen Qualität ausgeführt zu sehen. Wenn ich also gemeinsam mit anderen Leuten jage, muss ich darauf bestehen, dass sie es akzeptieren, wenn ich meinen Hund eine Aufgabe korrekt durchführen lasse. Leider ist das nicht nur mit einzelnen Personen ein Problem, sondern generell Frage einer anderen Jagdmethode, weil ich vom Hund eben Dinge verlange, die die Mehrheit der Jäger in Italien nicht verlangt und als überflüssig betrachtet. Sie messen tendenziell ganz anderen Eigenschaften Bedeutung bei, etwa der Weiträumigkeit der Suche, der Haltung von Kopf und Rute, der Art des Galopps, die der Hund zeigt, wenn er im Gelände das Wild sucht, Stil und Ausdruck beim Vorstehen."
Und das hat seine Gründe: Vorstehhunde werden in Italien, entsprechend dem Jagdgesetz, fast ausschliesslich für die Federwildjagd eingesetzt und nur ausnahmsweise auch mal für den Hasen, weshalb die in Deutschland so geschätzte vielseitige Verwendbarkeit und Disziplin überhaupt nicht gefragt ist.

Fabio Dall'Antonia mit seinem Jungrüden Mario, aus ital. Zucht. Foto: (c) Fabio Dall'Antonia.

Auch im Prüfungswesen wird der Vorsteher als reiner Federwildspezialist betrachtet.
Dazu noch einmal der Richter Dr. Capelli: "In Italien gibt es die spezialisierten Prüfungen und die Spezialprüfungen. Die spezialisierten Prüfungen (offen für alle kontinentalen Vorstehhunderassen) werden jeweils an nur einem bestimmten Federwild abgehalten, etwa der Bekassine, und der einzige Vogel, der dann gesucht werden muss und für den man Punkte bekommt ist eben die Bekassine. Dasselbe Prinzip gilt für die Waldschnepfe, oder bei den Prüfungen im Hochgebirge für Schneehuhn, Auerhuhn und Birkhuhn.
Dann gibt es die Spezialprüfungen, an denen nur eine Rasse teilnimmt. Im Allgemeinen sind es die Rasseklubs selbst, die diese Veranstaltungen organisieren. Die, sagen wir mal jagdnaheste Prüfung bei uns heisst Prüfung für die praktische Jagd. Sie wird an jeder Art von Federwild abgehalten, also Fasan, Rebhuhn, Waldschnepfe. Der Hase gilt nicht mehr als relevantes Wild für den Vorstehhund, jedenfalls nicht im Rahmen von Prüfungen. Bis vor einigen Jahren konnte sich der Hund auch platzieren, wenn er nur den Hasen vorstand. Stattdessen haben wir heute die Regel, dass das Vorstehen des Hasen nicht mehr gilt."
Und was ist mit dem Apport?
"Den Apport machten wir früher am Ende der Prüfung mit kaltem Wild und er war Wert, was er Wert war," erklärt Fernando Capelli. "Heutzutage existiert nicht einmal mehr das. Es gibt allerdings eine Prüfung am erlegten Wild. Bei der muss der Hund apportieren. Also zunächst vorstehen, der Vogel fliegt auf, der Hund muss bewegungslos bleiben, und erst auf Befehl geht er dann bringen. Und je besser und prompter der Apport gemacht wird, wenn möglich auch mit der Übergabe im Sitzen, desto besser. Leider sieht man bei uns, das diese Dinge eher nachgeäfft werden. Der italienische Prüfungsteilnehmer weiss ja, dass wenn er Glück hat und sein Hund den Vogel irgendwie "bringt", vermerkt wird "führt den Apport aus" und dann macht er ihn für den Rest seines Lebens nicht mehr. Man versucht also nur, eine Andeutung von Apport zu machen, weil er nicht als wichtig betrachtet wird."

Dr. Fernando Capelli (lks.) und Bruno Decca während der Schlussbesprechung einer Prüfung. Foto (c) Bruno Decca.

Nun könnte man natürlich fragen: warum erwerben italienische Jäger einen Hund, der ausdrücklich als Allrounder angelegt ist, obwohl sie in Wahrheit doch einen für die spezialisierte Federwildjagd geeigneten, sehr schnellen, sehr selbständigen Vorstehhund mit überschäumendem Temperament brauchen - und wünschen?
Die Antwort könnte lauten: weil sie ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass Vorstehhunde in Deutschland genauso eingesetzt werden wie in Italien. Und dort meint "Allrounder" oder "Vollgebrauchshund" einfach "für jedes Federwild geeignet", aber hat mit Haarwild, Nachsuchen auf Schalenwild, Stöbern nach der Ente und Apport von Raubwild rein gar nichts zu tun.

Und mal ehrlich: welcher deutsche Jäger oder Züchter weiss denn, wie in Italien tatsächlich gejagt wird..?
Wir haben zwar jede Menge Vorurteile, in Zeiten entstanden, als im italienischen Jagdwesen noch das Chaos herrschte, aber das ist 25 Jahre her und wie es heute aussieht, interessiert nur Wenige.
Das ist in vielfacher Hinsicht bedauerlich, denn einerseits driftet die DK Zucht in Italien (und nicht nur dort) immer mehr Richtung reiner Field Trialer ab, andererseits bekommen italienische Hundeführer, die ihren Kurzhaar sehr wohl zum Allrounder ausbilden und so gut wie möglich als solchen führen wollen, kaum Unterstützung aus dem Ursprungsland der Rasse, wenn man von der Privatinitiative einer Handvoll engagierter DK Liebhaber einmal absieht. Ihnen ist auch die Entstehung des Films Deutsche Vorstehhunderassen in Italien - Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu verdanken, der die Probleme von Hunden und Hundeführern aufzeigt.
Lösungen jedoch kann es nur geben, wenn sich Züchter, Jäger und Ausbilder nördlich der Alpen bereit finden, den Kollegen im Süden zu zeigen, dass ein gehorsamer Allrounder mitnichten ein temperamentloser Langeweiler ist..!

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