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Impressionen vom Bracco Italiano Treffen:
Die Prüfung (2)



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Impressionen vom Bracco Italiano Treffen: Die Prüfung (2)
Von Sabine Middelhaufe

Normalerweise gehöre ich nicht zu den Menschen, die morgens um fünf aufstehen, wenn sich das irgendwie vermeiden läßt, aber die Aussicht, einen Rasseexperten, den Richter und seinen Assistenten bei einer Leistungsprüfung begleiten zu können wog die vor der Abfahrt notwendige "Nachtwanderung" mit Julian, der ja die ganze Zeit im Auto würde warten müssen und die stressige Reise nach Gossolengo, ebenfalls einem kleinen Ort in der Provinz Piacenza, auf.
Am Treffpunkt im Dörfchen war sofort klar, dass wesentlich weniger Hunde an der Prüfung teilnehmen sollten als an der gestrigen Ausstellung, und die Führer und ihre Bracchi wurden schliesslich in wenige Gruppen eingeteilt.

Ich wurde in der ersten Mannschaft aufgenommen, und schon setzte sich unser Konvoi, unter Begleitschutz der Staatlichen Jagdaufsicht, in Bewegung Richtung Prüfungsgelände.
Das völlig flache Terrain bestand aus mehreren Streifen mit sehr unterschiedlichem Bewuchs: auf einer Seite bildete ein kleiner Fluss mit kieseligem Ufer und Entenbesatz die Grenze. Dem schloss sich ein langer, schmaler Abschnitt mit hartem, kurzen Gras und vereinzelten Sträuchern an, worauf ein Gürtel aus mannshohen Büschen folgte, in dessen Mitte eine Art Feldweg verlief. Auf der anderen Seite des Weges reichte das Buschwerk bis an ein weites Feld heran, und überall hier waren Fasanen und Rebhühner zuhause; auf manchen Flächen auch Hasen.
Der erste Prüfling durfte herankommen, und sein Führer erhielt vom ortskundigen Richterassistenten genaue Anweisungen wohin er seinen Bracco zu schicken habe. Die gemeinsame Feststellung der Windrichtung ergab, dass sich in diesem Moment kein Lüftchen rührte, was den Führer nicht gerade glücklich stimmte. Der Richter gab gelassen das Startzeichen, der Hund wurde geschnallt, und ich war ziemlich unsicher, was ich tun und nicht tun sollte, um niemandem im Wege zu stehen - am wenigsten dem Hund.

(Die nachfolgenden Bilder zeigen nicht den Hund, von dem im jeweiligen Abschnitt die Rede ist. Auch übernehme ich keine Garantie für die Richtigkeit der Reihenfolge in meiner Beschreibung - es war ein so aufregender Tag, da ist es gut möglich, dass ich mit der Chronologie ein bisschen durcheinander gekommen bin...)
Meine Befürchtung war völlig überflüssig, denn frenetisches Winken des Assistenten gab mir sofort zu verstehen, gern direkt beim Trupp zu bleiben. Den Bracco und seinen Führer kümmerten die Zuschauer nicht im mindesten.
Dummerweise verpaßte ich durch mein Zögern bereits einen wichtigen Moment: der Rüde hatte schon nach wenigen Schritten einen Fasan übersehen, der sich sofort mit großem Getöse in die Luft erhob. Ein Fehler, der nach Ansicht des Führers der Tatsache zuzuschreiben war, dass die völlige Windstille es dem Hund praktisch unmöglich gemacht hatte, den Vogel rechtzeitig zu wittern. Nun erlaubt die Prüfungsordnung dem Richter, einem Hund seinen Fehler während der ersten Minute des Turnus großzügig nachzusehen. Es liegt also in seinem Ermessen, ein Auge zuzudrücken, wenn der Prüfling gleich zu Anfang etwas falsch macht, und natürlich kontrolliert niemand mit der Stoppuhr ob erst haargenau 60 Sekunden verstrichen sind...
Die Startnummer 1 schien insgesamt Pech zu haben. Ein weiterer Fasan wurde überlaufen und erst gefunden und vorgestanden nachdem der Führer seinen Hund mit Pfiffen und Handzeichen praktisch zum Sitz des Wildes gelotst hatte. Darauf flüsterte mir der Klubbeauftragte zu: "Versteh das nicht falsch, normalerweise führt der Bracco den Jäger zum Wild und nicht umgekehrt."
Ein paar Rebhühner entgingen dem Rüden auch; sie suchten unter den Augen des Richters das Weite. Dass der Hund sich bemühte, war offensichtlich, aber eine manierliche Suche gelang ihm trotzdem nicht. Nach 15 Minuten gab der Richter das Zeichen, ihn wieder anzuleinen.
Der nächste Hund wurde geschnallt und erwies sich als ähnlich glücklos. Zwar eilte er zielstrebig durchs Buschwerk, stand auch mehrmals vor, nur entdeckten weder der aufgeregte Führer noch der Richter an diesen Stellen Wild. Der Bracco liess sich schliesslich ins Feld einwinken und trabte mit sichtlichem Genuß nach rechts und links, aber den Fasan, den er dort nach einer Weile fand und vorstand, veranlaßte er selbst zur Flucht und stob erst mal hinterdrein. Zum größten Verdruss seines Führers, der sichtliche Mühe hatte, seinen Gehilfen wieder heran zu holen. Übrigens mit dem normalen Appell-Pfiff. Niemand pfeift einen Bracco ins Down. Dass während der Prüfung überall in der Nähe Rebhühner und Fasanen mit reichlich Gelärme aufstanden, um sich anderswo einen stressfreieren Ruheplatz zu suchen, irritierte den Hund nicht im Geringsten. Dasselbe Verhalten bemerkte ich später bei den anderen: wenn ein Bracco sucht, läßt er sich von fliehendem Wild nicht ablenken. Er konzentriert sich voll und ganz auf seine Aufgabe, egal, wer da um ihn herumflattert.
Diesmal flüsterte mir jemand zu:"Der Hund ist in Wahrheit gar nicht übel, aber der Führer ist viel zu konfus und aufgedreht. Er turnt ständig um ihn herum und schafft es trotzdem nicht, ihn ordentlich zu dirigieren."
Ein anderer Prüfling erntete viel Lob für seinen Suchwillen, die Selbstverständlichkeit, mit der er die Feldränder absuchte, den passablen Trab und das gute Zusammenspiel mit dem Führer.
Und dann endlich kam ein bisschen Wind auf und ein erleichtertes Seufzen ging durch die Reihe der wartenden Führer.
Derweil erläuterte Flavio Fusetti folgendes: "Bei unseren Prüfungen geht es nicht darum, festzustellen, ob diese Hunde für die Jagd geeignet sind, denn das sind sie; sie werden regelmäßig im praktischen Jagdbetrieb eingesetzt und arbeiten sehr zufriedenstellend, sonst würden sich die Besitzer gar nicht die Mühe machen, sie quer durch Italien zu den Prüfungen zu fahren. Uns geht es um etwas anderes, nämlich zu ermitteln, welche Tiere dem idealen Arbeitsstil des Bracco Italiano am nächsten kommen. Ein Bracco soll ja nicht nur suchen und vorstehen. Er soll es auf eine ganz charakteristische, nur ihm eigene Art und Weise tun, und dabei ist seine Bewegung enorm wichtig. Dieses Konzept ist vielleicht schwer zu verstehen, aber beim Bracco ist die Bewegung tatsächlich Ausdruck seiner Psyche, seiner Mentalität. Ein fliessender, raumgreifender Trab mit schön erhobenem Kopf und pendelnder Rute sagt dir zum Beispiel, dass der Bracco voller Lebens-und Arbeitsfreude ist. Ein Bracco, der mit abgehackten, ungleichmäßigen Schritten läuft, die Rute vielleicht nur starr ausgestreckt, hat nicht nur eine schwache Hinterhand und vermutlich ungünstige Winkelungen, er ist auch innerlich im Ungleichgewicht, "verklemmt", unentschlossen..."

Unterdessen war der nächste Hund angetreten, und ich beobachtete seine Bewegungen mit anderen Augen. Weit davon entfernt, den exzellenten Bracco vom mittelmäßigen unterscheiden zu können, sah und spürte ich doch, dass etwas die Harmonie des Bildes störte, wenn ein Bracco mit kurzem, starrem, schlecht angesetztem Hals vorbeitrabte oder gar in Paßgang verfiel. Es stimmte ebenso, dass die gleichmäßige, entspannte Pendelbewegung der Rute während des Trabens einen deutlich anderen Eindruck erweckte, als die starr ausgestreckte...
Plötzlich eilten alle Zweibeiner auf das Wiesenstück, wo ein Bracco stand, die Augen, die Nase, seine ganze Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt gerichtet. Der Hund hatte den Fasan vorbildlich gesucht und stand nun korrekt vor. Kein Einspringen, keine Unruhe. Alles prima gemacht. Sein Führer zückte eine Schreckschußpistole und schoss. Erst jetzt wurde mir das Fehlen von Flinten bewußt. Aber nein, hier schoss niemand im Ernst, das Wild wurde nur kurzfristig gestört, nicht getötet. Allerdings bedeutete das Fehlen von erlegter Beute auch, dass es nichts zu apportieren gab, und in der Tat wurde das Bringen hier überhaupt nicht geprüft. Für den Hund war der Schreckschuß das Signal, dass er seine Aufgabe erfolgreich beendet hatte und weiter suchen durfte. Dieser hier strebte voller Eifer weiter vorwärts und diesmal versuchte ich, seine Kopfhaltung zu beobachten. Nach einigen Minuten hielt der Bracco wieder inne, wies auf einen Fasan und der Schuss erklang. Die Prüfungszeit war um, der Führer sagte leise: "Anleinen!" und der brave Vierbeiner, ungeachtet seiner deutlichen Lust noch ein paar Stunden weiter zu suchen, trabte zu einem strahlenden Hundeführer.

Inzwischen hatten wir uns weit vom ursprünglichen Ausgangspunkt entfernt. Nach kurzer Beratung beschloss man deshalb, zurück zu den Autos zu gehen und dann ein Stück weiter, in das anschliessende Gelände zu fahren.
Dass dort andere Zustände herrschten bemerkte die startende Bracco Hündin innerhalb der ersten Minute: sie stieß sofort auf einen Hasen und stand ihn vor. Mit einem seltsamen Laut, dem "Brrrr" der Cowboys nicht unähnlich, verscheuchte der Führer das Häschen und wies seine Hündin an, weiter zu suchen. Kaum 100 Meter weiter der nächste Hase und dieselbe Prozedur, mit dem Unterschied, dass sich dem flüchtenden Mümmelmann zwei andere Artgenossen anschlossen. Wir marschierten weiter, Bracco begeistert suchend voraus, als sie den dritten Hasen fand. Der Führer war genervt. Ein Bracco soll Hasen zwar notfalls vorstehen (oder ignorieren), aber hier ging es um Federwild und das schien ausgerechnet in diesem Abschnitt weit dünner gesät zu sein. Außerdem befand sich die Hündin nun wohl in dem Irrglauben, sie solle Hasen suchen... Ob sie am Ende doch noch einen Fasan entdeckte, entging mir leider, da ich gerade am Beispiel eines nahebei stehenden Braccos erklärt bekam, dass ein schlecht geformter oder zu schwerer Kopf ein Übermaß an loser Haut und Falten im Gesicht verursachen kann, was wiederum zum Verdecken der Augen führt, und das ist untypisch und gar nicht erwünscht. Was eine schlechte Kruppe und falsche Schulterlage für die Bewegung des Bracco bedeutet, und welche Hinterhand den erforderlichen, richtigen Schub ermöglicht wurde mir ebenfalls am lebenden Objekt erläutert.
Was als allgemein begrüßte Brise begonnen hatte, war unterdessen zu einem spürbaren Wind geworden, den die Führer der letzten zu bewertenden Hunde mit Argwohn konstatierten. Überhaupt kein Wind ist ungünstig, aber zuviel Luftbewegung ebenfalls. Die immense Anzahl von Hasen bei mangelhafter Präsenz von Federwild bewog den ortskundigen Scout außerdem, das Gelände neuerlich zu wechseln.
Während wir los marschierten, diskutierten die vier Hundeführer, ein jeder verantwortlich für diverse Prüflinge, die Unfairness der Windverhältnisse, das teils schlechte Gelände, in dem ein Bracco unmöglich einen sehenswerten Trab präsentieren könne, das Pech, in einen Abschnitt mit zuviel oder zu wenig Fasanen zu geraten, die Fehler, die dieser oder jener Hund nur heute gemacht hätte und die ihm sonst nie unterliefen, Diskussionen eben, die wohl am Rande jeder Prüfung geführt werden. Flavio Fusetti schmunzelte dazu und erzählte mir, dass keiner der bisher bewerteten Hunde spektakulär gewesen sei, doch der Super Bracco sei ohnehin ein Ideal und der Klub glücklich, wenn es ein breites Mittelfeld talentierter, typischer Tiere für die Zucht gäbe.
Ein paar Bilderbuch-Suchen boten die letzten Teilnehmer dann doch noch, aber offensichtlich wäre ich vollkommen überfordert, die Feinheiten und Pluspunkte ihrer Performance zu beschreiben. Es wird viele, viele Prüfungs- und Ausstellungsbesuche brauchen, viel Arbeit mit meinem eigenen Bracco, bis ich (hoffentlich) dahinter komme und erkenne, worin die Arbeitsqualitäten der Rasse im einzelnen bestehen.
Kurz vor Mittag endete die Prüfung. Der Richter zog sich zurück, wertete seine Berichte aus und verkündete schliesslich sein Urteil. Die drei bestplatzierten Hunde und ihre Führer erhielten den gebührenden Applaus und eigentlich schienen alle sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Sicher stimmt es, dass dieser oder jener Bracco bei seinem Turnus einfach Pech hatte oder nicht genügend vorbereitet war - beim nächsten Mal läuft's vielleicht besser.
Bevor sich unsere Autokolonne wieder in Bewegung setzte, zum Treffpunkt mit den übrigen Gruppen, holte ich (mit ausdrücklicher Erlaubnis des Staatlichen Jagdaufsehers) Julian aus dem Kombi, der auch mal schauen sollte und vor allem einige dringende Geschäfte zu erledigen hatte. Er trabte denn auch höchst interessiert herum, inspizierte die Büsche und mir wurde etwas mulmig. Wäre ja extrem peinlich, wenn ausgerechnet mein Bracco Junghund plötzlich unkontrollierbar hinter einem aufsteigenden Fasan her galoppiert wäre... Ich nahm ihn also vorsichtshalber an die Leine. Wer hätte ahnen können, dass er nur drei Tage später in unseren heimischen Wiesen den ersten Fasan seines Lebens aufs manierlichste vorstehen würde...
Nun, als Neuling in der Bracco-Welt war ich von den Erfahrungen und Impressionen des Wochenend-Treffens, speziell dem Umgang der Jäger mit ihren Hunden restlos begeistert. Vielleicht sind Julian und ich beim nächsten Mal ja aktiv dabei...

Alle Fotos: Sabine Middelhaufe

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