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Der Bracco Italiano in den USA


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Der Bracco Italiano in den USA - Interview mit Ericka Ransdell-Dennis
von Sabine Middelhaufe

Ericka Ransdell-Dennis und ihr Mann Robert, Gründer des Garibaldi Kennels in Californien, sind häufige Gäste in Italien, wo sie an den Bracco Prüfungen des Italienischen Rasseclubs, SABI, teilnehmen, Züchter und Ausbilder treffen und mitunter einen Welpen auswählen, der später mit ihnen heim nach San Diego fliegen wird. Da Ericka auch Vorstandsmitglied des seit 2007 bestehenden Bracco Italiano Club of America (BICA) und der North American Versatile Hunting Dog Association ist, schien sie die geeignete Person, um über die Situation der Rasse und ihre mögliche Entwicklung in den USA zu sprechen.

Ericka, wann kamen die ersten Bracchi überhaupt nach Amerika?
Wir nehmen an, dass die ersten Hunde 1994 importiert wurden.

Weisst du zufällig aus welchen Kennels sie stammten?
Nein, das weiss ich nicht, aber ich weiss, dass der erste in den USA gefallene und registrierte Bracco Wurf Chiara Della Valle Santa zur Mutter hatte, eine Hündin, die 1998 aus Italien eingeführt wurde.


Oben: Luigi (Bes. Dick Propernick)
Startfoto: Luigi und Cora (Bes. Erich & Sally Bower)

Wie viele Bracchi gibt es derzeit ungefähr in den USA?
Wir schätzen zwischen 300 und 400.

Und wie viele Welpen werden jährlich geboren?
Ungefähr 20 - 30. Aber die Welpenzahlen steigen allmählich, da die Zahl der Bracco Halter zunimmt, die daran interessiert sind, zu züchten.

Bevorzugen amerikanische Bracco Fans eigentlich eine bestimmte Fellfarbe?
Ich glaube wir haben noch überwiegend weiss-orangene Hunde hier, aber die Bevorzugung des Braunschimmels scheint zuzunehmen.

Was zieht die Leute deiner Meinung nach anfangs überhaupt am Bracco an?
Sein freundliches Gesicht, das ruhige Auftreten und die hängenden Hound Ohren. Aus Jägersicht hat der Bracco einen sehr schönen Arbeitsstil und eine exzellente Nase.

Lucky

In Italien nennt man den Bracco auch den "Denker" und er hat sicherlich ein ganz einzigartiges Naturell - lässt ihn das "seltsam" erscheinen oder im Gegenteil noch liebenswerter?
Ganz klar: liebenswerter! US Besitzer möchten einen Hund, der sowohl Familienmitglied als auch ein guter Jagdgehilfe ist. Mitunter ist es schwierig einen Gebrauchshund zu finden, der im Haus ruhig und im Feld voller Elan ist. Der Bracco hingegen passt da perfekt. Ausserdem ist er ein intelligenter Hund, den man respektieren muss wenn man möchte, dass er seinen Jagdinstinkt für die gemeinsame Arbeit einsetzt.

Wenn Leute einen Bracco kaufen, was erhoffen sie sich und was könnte ein Grund für Enttäuschungen sein?
Sie hoffen vor allem auf ein langes gemeinsames Leben mit einem gesunden Bracco. Den Hund wegen gesundheitlicher Probleme zu verlieren ist die größte Enttäuschung für Bracco Halter hier in den Staaten. Das einzige andere Problem entsteht, wenn der neue Besitzer der Erziehung seines Bracco nicht genügend Zeit widmet, er die Rasse nicht versteht und sich folglich nicht die richtige Beziehung zwischen Hund und Herr entwickelt. Ansonsten gibt es nur ganz wenige Bracco Halter die von ihrem Hund enttäuscht waren.

Ist der Bracco inzwischen vom AKC anerkannt worden?
Nein – der AKC erkennt die Rasse nicht an, und wir sind noch Jahre von einer Lösung entfernt. Allerdings wird der Bracco Italiano von der North American Versatile Hunting Dog Association und dem United Kennel Club anerkannt, der Leistungstests anbietet und die Würfe registriert.

Luigi

Euer Club, BICA, ist in aktivem Kontakt mit der SABI, nicht wahr?
Aber ja – wir machen alljährliche Reisen zu den Prüfungen in Italien. BICA und SABI arbeiten auch eng zusammen um beispielsweise den Amerikanern den Arbeitsstandard des Bracco verständlich zu machen, ferner um Hunde von guter Qualität in die USA zu bringen und wenn wir sonstige Ratschläge brauchen, wenden wir uns natürlich an die SABI.

Es gibt also einen hübschen Italienisch-Amerikanischen Austausch, oder?
Ja, absolut. Gegenwärtig bemühen wir uns darum, einige italienische Bracco Führer in die USA zu holen, um bei uns zu jagen und unsere Hunde zu beurteilen. Wir hoffen auch, dass die Italiener uns bei der Ausbildung von Richtern für Bracco Prüfungen und Ausstellungen helfen. Im November 2011 werden wir in Amerika ein Bracco Meeting veranstalten; die Teilnahme italienischer Züchter und Richter würde den US Bracco Leuten sicher helfen, den Arbeitsstandard der Rasse zu begreifen. Leider können wir den Richtern keine Reisekosten erstatten, da unserem Klub die Mittel dafür fehlen, also eine etwas schwierige Situation. In Zukunft können wir hoffentlich mehr tun.

Mir scheint, dir liegt der Kontakt zur italienischen Bracco-Szene sehr am Herzen?
Ja, und ich glaube es ist ganz wichtig den Kontakt zu erhalten. Ebenso wichtig scheint mir aber, möglichst viele andere europäische Züchter zu kennen. Es gibt für uns so viel über den Bracco zu lernen, was den Jagdstil und die Morphologie angeht.

Luigi

Da der AKC den Bracco nicht anerkennt, auf welchen Reglements beruht dann die Zucht in den USA?
Reglements haben wir in der Tat nicht, aber der ethische Kodex innerhalb des BICA sieht vor, dass die Hunde auf Probleme der Hüften, Ellbogen und Augen getestet werden, und gegenwärtig halten sich auch alle unsere Züchter daran.

Allgemein gesprochen, züchtet ihr gemäß dem FCI Standard oder bevorzugt ihr einen bestimmten Typ Bracco, der beispielsweise höher und schwerer ist als der Standard beschreibt?
Im Moment haben wir einen so geringen Zuchtbestand, dass an die Bevorzugung von gross oder klein, leicht oder schwer überhaupt nicht zu denken ist. Wir züchten deshalb auf Gesundheit, Jagdanlagen und dann FCI Standard.

Ein Kennzeichen des Bracco ist sein Trab. Hat er in den USA ebenso viel Bedeutung wie in Italien? Benutzt du die „braga“ oder würdest du sie benutzen, um deinen eigenen Hunden den korrekten Trab beizubringen? Und benutzen andere Bracco Halter bei euch dieses Hilfsmittel?
Den amerikanischen Besitzern ist der Trab nicht sonderlich wichtig. Dessen ungeachtet versuche ich ihnen die Bedeutung klar zu machen; auch aus diesem Grunde wäre es wichtig, Italiener für das Meeting 2011 zu gewinnen, denn ihre Hunde könnten den typischen Trab vorführen.
Die US Bracco Leute sind insgesamt mehr am Jagderfolg interessiert. Findet der Bracco Federwild, steht er vor, lernt er schnell, ist er gesund und hat die typische Bracco Persönlichkeit? Das zählt. Wenn wir in Zukunft field trials und Jagdtests auf der Basis des italienischen Arbeitsstandards haben, werden wir Dingen wie dem Trab auch mehr Aufmerksamkeit schenken. Was die "braga" angeht, brauchen und benutzen wir sie nicht. Die meisten Leuten finden den Trab fürs Vögel finden nicht nützlich.

Luigi und Bella (Bes. Paul Mcdaniel)

Wird der Bracco bei euch vornehmlich als Familien- oder Gebrauchshund gehalten?
Die Mehrzahl der Besitzer in den USA setzt ihn als Jagdgebrauchshund ein. Ziel des BICA ist in der Tat, den Bracco als Arbeitshund bekannt zu machen und Welpen möglichst an Jäger zu verkaufen. Aber da sich die Rasse natürlich wunderbar als Familienhund eignet werben wir auch für den "dual dog". Bracchi sollten für ihre Halter sowohl Familienmitglieder als auch Jagdgefährten sein. Und wenn sie nicht jagen, sind sie sowieso am glücklichsten mit ihren Besitzern im Haus.

Findet man Bracchi oft bei Ausstellungen? Und wie verhalten sich amerikanische Richter gegenüber einer in den Vereinigten Staaten fast unbekannten Rasse?
Nur wenige Leute zeigen ihre Hunde auf Shows oder gehen zu Prüfungen. Das ist bei Bracco Haltern nicht sehr verbreitet, vor allem, weil solche Veranstaltungen meist irgendwo weit entfernt stattfinden. Die meisten Richter bei uns haben tatsächlich noch nie einen Bracco gesehen und müssen sich in Ermangelung an Erfahrung auf den geschriebenen Standard stützen. Auch wird der Hund bei uns ganz anders bewertet als in Europa. Man beurteilt mehr die gute Allgemeinverfassung der Rasse als die feineren Einzelheiten, zumal üblicherweise nur ein Bracco präsent ist und der wird im Vergleich zu anderen Rassen gerichtet.

Bella

Und wie sieht es mit den Bracco Prüfungen aus ?
Alle Prüfungen in den USA werden entweder im Wettbewerb gegen andere Rassen oder in Bezug auf einen standardisierten Test durchgeführt. Bewertet wird das Jagdergebnis und der Gehorsam, nicht das Verhalten des Bracco in Bezug auf den italienischen Arbeitsstandard der Rasse.
Der AKC erlaubt einem Bracco die Teilnahme an Jagdtests, wobei Suche, Vorstehen, Apport und Sekundieren beurteilt werden. Die North American Versatile Hunting Dog Association bietet einen Puppy Test an, der Suche, Vorstehen, Nasenleistung, Tracking, Arbeitsfreude und Wasserfreude bewertet. Der Test für erwachsene Hunde dreht sich um Suche, Vorstehen, Steadiness, Apport, Gehorsam, Bringen auf der Entenschleppe, Bringen der Ente aus dem Wasser, Suche nach der Ente im Wasser, Arbeitsfreude, Einsatz der Nase und Gehorsam.

Du bist schon recht oft in Italien gewesen und hast hier Bracchi bei der Jagd gesehen. Was kannst du über Unterschiede und Übereinstimmungen beim Jagdeinsatz in den USA und Italien sagen?
Es ist alles ganz anders. In Italien sind die Felder klein, die Hunde arbeiten näher beim Halter und traben viel. Trainer und Richter achten bei Prüfungen, anders als in Amerika, mehr auf den Arbeitsstandard als Grundlage ihrer Bewertung. Die US Besitzer wollen einfach einen Bracco, der Vögel für sie findet. Der Stil ist dabei nicht so wichtig. Jagdgebiete mit Federwild sind in den USA meist viel größere Territorien (als in Italien) und folglich wird vom Bracco verlangt, dass er weit mehr Gelände absucht. Und ehrlich gesagt glaubt man nicht recht, dass ein Bracco seinen schnellen Trab für einen ganzen Jagdtag aufrecht erhalten kann.
Auch bei uns gibt es die Möglichkeit, Zuchtwild zu jagen, das üblicherweise in kleinen Feldern gesucht wird. So eine Jagd dauert dann ungefähr drei Stunden.
Wir möchten die US Bracco Halter schon gern über Trab und Arbeitsstil der Rasse belehren und dann hoffentlich in näherer Zukunft ein Prüfungsprogramm einzuführen, das dem italienischen ähnelt.

Dick Propernick, Erich Bower , Matt Rivera und Luigi.

Einige Rassen, die in die USA kamen, wurden im Vergleich zum Original so sehr verändert, dass sie am Ende neue Rassen wurden, nehmen wir zum Beispiel American Cocker Spaniel, American Water Spaniel oder German Shorthaired Pointer. Hältst du es für möglich, dass es eines Tages auch den American Bracco geben wird, der dann besser an die Ansprüche und Wünsche der amerikanischen Halter angepasst ist?
Das ist sicherlich nicht was der BICA anstrebt. Wir möchten dem Standard folgen und den Vorstehhund erhalten, den die Italiener geschaffen haben. Dafür wird der Club sich intensiv einsetzen. Natürlich haben wir keine absolute Kontrolle darüber, was mit der Rasse passiert, aber wir hoffen, dass sie ihrem Ursprung treu bleibt. Die Züchter und Halter in den USA haben wirklich eine echte Leidenschaft für diese Rasse entwickelt, weshalb wir die Gesundheitsfragen sehr ernst nehmen und die Hunde auf Erbkrankheiten testen lassen. Auch versuchen wir, die meisten Bracchi in Jägerhaushalte zu geben. Wir hoffen, dass die italienischen Züchter diese Bemühungen anerkennen und uns gute, genetisch gesunde Hunde für seriöse Jäger und Halter in den USA schicken. Der Bracco Genpool in den USA wird immer kleiner und die Einfuhr neuer Blutlinien ist ein kritischer Faktor für die Zukunft des Bracco in den Vereinigten Staaten.

Du bist Jägerin; wie siehst du den Bracco im Vergleich zu anderen Vorstehrassen was Ausbildung und Arbeit betrifft?
Als Vorsitzende der örtlichen Niederlassung der North American Versatile Hunting Dog Assocation hatte ich die Möglichkeit, alle kontinentalen Rassen zu trainieren, ob Kurzhaar, Drahthaar, Pudelpointer, Griffon, Vizsla usw. Der Bracco unterscheidet sich sehr deutlich beim Training und ich musste mir einige Techniken selbst beibringen. Wichtig ist, der Bracco kann nicht gezwungen werden etwas auszuführen. Man muss ihn höflich darum bitten und es muss ihm Freude machen. Er lernt durch Wiederholung, nicht durch Zwangsmassnahmen. Hat man das erst mal verstanden, ist der Bracco sehr einfach auszubilden. Er will ja gefallen, und ich für mein Teil liebe es, mit ihm jagen zu gehen. Da die Rasse in den Staaten relativ unbekannt ist, merken Richter manchmal an, wie elegant und schön diese Hunde sind. Es ist einfach ein Vergnügen, ihnen zuzuschauen, und wie du schon sagtest "denken" sie über die Jagd nach. Mir sind schon viele Züchter, Halter und Jagdleiter mit anderen Rassen begegnet, die beeindruckt waren von der Nase des Bracco, seinem soliden Jagdstil und seiner Sportlichkeit. Ein DK-Züchter ist sogar inzwischen zum Bracco Züchter umgesattelt.

Bella (Bes. Paul Mcdaniel) und Cora (Bes. Erich & Sally Bower)

In vielen europäischen Ländern ist das Rutenkupieren verboten. Wie siehst du die Pros und Kontras dieser Entscheidung für einen Bracco, der als Gebrauchshund arbeitet?
Die meisten Züchter bei uns kupieren die Ruten. Wir haben gesehen, welche Rutenverletzungen sich die Hunde in unseren Gegenden zuziehen. Wir selbst jagen manchmal in gebirgigen und schwierigen Zonen, wo eine lange Rute beschädigt werden kann. In Amerika gibt es ausserdem kein Gesetz, das das Kupieren verbietet und es steht uns frei, es zu tun. Die meisten Züchter finden es wie gesagt wichtig, wenn der Hund jagdlich geführt wird. Ansonsten versuchen wir uns an den italienischen Standard zu halten.

Und zum guten Schluss: wenn du drei Wünsche für den Bracco in Amerika frei hättest, worin würden sie bestehen?
1. die Gesundheit des Bracco zu erhalten und durch verantwortungsvolle Zucht zu versuchen, die Erbkrankheiten möglichst zu eliminieren. 2. den Bracco als Gebrauchshund gemäß des "Pastrone Standards" zu entwickeln, Leistungsprüfungen auf der Basis des Standards zu schaffen und die Hunde auf solche Aspekte hin zu prüfen, die bisher nicht beachtet werden, nämlich Trab, Kopf- und Rutenhaltung und der poetische Aspekt des Jagdstils. 3. den Bracco als eine Rasse zu erhalten und die Aufspaltung in Show- und Arbeitslinien zu vermeiden.

Herzlichen Dank, Ericka.

Dick Propernick

Alle Fotos (c) Danny Barton, 2010
Text (c) 2010

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