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Der Bracco Italiano in Ungarn


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Der Bracco Italiano in Ungarn
Von Gabor Essösy

Als jemand, der den Bracco Italiano in Ungarn eingebürgert hat, glaube ich genügend Übersicht über die Rolle der Rasse bei der Jagd in meiner Heimat zu haben, um einige Bemerkungen machen zu können.
Als Feldrichter bei Veranstaltungen der FCI und der ungarischen Jägerkammer beurteile ich überdies die Arbeit anderer Rassen, habe selbst auch Magyar Vizslas und kenne also nicht nur den Bracco Italiano.

HJCh. Giotto (M: Ronda delle Cascate, V: Ch. Omar, Bes: G. Essösy)

Oben u. Startfoto: Sequins Barisardo "Duran"(M: Londra dell'Oltrepo,
V: Ch.Valentino Di Ala D'Oro. Bes: G. Essösy)

Zunächst einmal muss man sagen, dass der Bracco in Ungarn zu den seltensten Jagdhunderassen zählt und von den hier lebenden ungefähr 50 Tieren nur etwa 20 als Jagdhunde eingesetzt werden. Die ersten Bracco Italiano in meiner Heimat stammten übrigens aus Holland; später kamen dann auch Hunde aus Italien hinzu.
Einen Bracco-Klub haben wir bisher nicht, der ist noch zu organisieren, weshalb unsere Hunde die nötigen Prüfungen entweder bei den Veranstaltungen des Vizsla-Klubs oder des Kurzhaar-Klubs ablegen.

HJCh., YEW Prado Compatriota di Bonfini
(M: Garganella della Valle Santa, V: Vasco del Campo di Diana. Bes: G. Essösy)

Zarina della Valle Santa (M. CH. Quintana della Valle Santa, V: Tharros. Bes: Garbo Essösy)

Ich denke, dass sich der Bracco Italiano - hinsichtlich des Wesens - mehr von den anderen europäischen Vorstehhunden unterscheidet als jene von einander. Die Ähnlichkeit zwischen dem Deutsch Drahthaar und dem Magyar Vizsla zum Beispiel ist größer, als die zwischen dem Bracco Italiano und einem anderen Vorstehhund.
Seit Jahren werde ich mit meinen Hunden in der Saison von verschiedenen Jagdgesellschaften regelmäßig zu Fasanenjagden eingeladen, und da sich die Jagdgebräuche in Ungarn nach dem deutschen Modell entwickelt haben wird bei uns von den Hunden das Gleiche verlangt wie in Deutschland.
Nun wird der Bracco Italiano in einigen kynologischen Fachbüchern zu den vielseitig einsetzbaren Jagdhunden gerechnet. Aber das ist falsch. Richtig ist, dass einzelne Exemplare zum Allzweckeinsatz geeignet sind.

HJCh. Giotto (M: Ronda delle Cascate, V: Ch. Omar. Bes: Garbo Essösy)

Prado Compatriota di Bonfini

Wer die italienischen Jagdgebräuche kennt, weiss, dass sich die Jäger mit Hund dort auf die Arbeit vor dem Schuss konzentrieren. In der Heimat der Rasse ist das Apportieren deshalb nicht ein so wichtiger Wertmesser wie das Vorstehen und der Stil der vorangehenden Suche.
Schauen wir uns den Bracco einmal in den einzelnen Arbeitsbereichen an:

Feldarbeit – das ist der spezielle Arbeitsbereich dieser Rasse. Der Bracco ist ein fleißiger Sucher mit ausgezeichneter Nase. Er sucht ziemlich langsam und vorsichtig, um keine Fehler zu machen. Wenn er von Welpenalter an in guten Händen ist, kann er auch lernen, perfekt zu apportieren. Einige Welpen riechen oder schleichen anfangs nur um den Apportiergegenstand oder das kalte Wild herum; sie benötigen dann einfach mehr Training.
Waldarbeit – Unter Waldarbeit verstehe ich die Nachsuche des geschossenen Hochwildes. Ich selbst mache das mit meinen Hunden zwar nicht, aber mehrere Braccobesitzer führen ihre Hunde erfolgreich auf Schweiss, da die gute Nase, das Interesse, die Gründlichkeit und das nicht ungestüme Verhalten den Hund für diese Arbeit geeignet machen können.

Giotto

Der Autor mit Prado Compatriota di Bonfini


Oben und rechts: Sole Compatriota di Bonfini
(M: Garganella della Valle Santa, V: Barnaba, Bes.: W. Albus)

Alfa Compatriota di Bonfini (M: Norma del Campo
di Diana, V: Corsaro Derivato dei Sanchi)

Wasserarbeit – Nur eine Minderheit ist für ernsthafte Wasserarbeit geeignet. Hier zeigt sich der Fakt, dass eine derartige Tätigkeit vom Bracco in seiner Heimat nicht erwartet wird. Wunder gibt es da nicht. Dieser Bereich ist für viele Vertreter der Rasse einfach fremd. Für Augen, die die Arbeit von Labrador, Kurzhaar oder Vizsla gewöhnt sind, muss ein Bracco, der vor einem auf der Wasseroberfläche schwebenden Blatt oder Schilf scheu wird seltsam wirken.

Zarina della Valle Santa

Prado Compatriota di Bonfini

Der Bracco Italiano ist grundsätzlich ein ruhiger Hund, aber in für ihn ungewohnten Situationen reagiert er unsicherer oder langsamer als andere Vorstehhunderassen. Wenn wir z.B. an einem fremden Ort aus dem Auto aussteigen, (etwa in der Großstadt, an verkehrsreichen Stellen oder in einem fremden Garten), braucht er mehr Zeit, sich zu entspannen und wohl zu fühlen als ein Vizsla oder Kurzhaar, der unter denselben Bedingungen wie der Bracco gehalten wird. Charakteristisch ist dies aber vor allem für Bracco Hündinnen.
Die Rasse trägt, nach meiner zwölfjährigen Erfahrung mit vielen Braccos aus verschiedenen Blutlinien, also eine Art Unsicherheit und übertriebene Vorsicht in sich, und ich glaube nicht, dass es nur an den Aufzuchtbedingungen liegt. Ich halte meine Braccos und Vizslas ja zusammen, ein befreundeter Jäger hat Bracco und Deutsch Kurzhaar, und er hat dieselben Beobachtungen gemacht.
Wer diese mögliche Schwäche der Rasse nicht tolerieren kann, sollte besser keinen Bracco wählen.
Der Bracco verträgt ferner keine Grobheit und Ungeduld, er wird dadurch blockiert. Er ist diszipliniert, macht seine Aufgaben aber langsam. Eine soldatische Durchführung der Arbeit darf man von ihm allerdings nicht erwarten.

Sequins Barisardo "Duran" (M: Londra dell'Oltrepo, V: Ch.Valentino Di Ala D'Oro. Bes: Gabor Essösy)

Wenn man einen erfolgreichen Hund und stabilen Partner haben möchte, ist es am wichtigsten, dass er sehr gut sozialisiert wird - er muss an Menschen, fremde Tiere, fremde Umgebungen usw. gewöhnt werden. Da er nicht aggressiv ist, kann er auch problemlos zu Orten mitgenommen werden, wo Hundebesitzer sich treffen und die Hunde miteinander spielen und toben.
Dank seines ruhigen Wesens ist er schliesslich auch zum Therapiehund geeignet.

Freilich, ein Bracco mag keine Monotonie – im Gegensatz beispielsweise zum Vizsla, der bereit ist, den Apportiergegenstand hundert Mal zurückzubringen, wird es einem Bracco nach drei oder vier Malen langweilig.
Wichtig zu wissen ist auch, dass der Bracco sehr langsam reift. In seinem 1. Lebensjahr verhält er sich oft phlegmatisch oder zurückhaltend.
Er verfügt nicht über den sonst für junge Jagdhunde charakteristischen spaßhaften, schwanzwedelnden Schwung, sondern ist eher melancholisch. Manchmal denkt man, dieser Hund wird nie ein guter Jagdhund. Aber dann, mit der Zeit, passiert die Wende: er bekommt große Lust zum Jagen, muss während der Jagd nicht mehr angetrieben werden, sucht leidenschaftlich.
Alles in allem ist der Bracco Italiano also kein einfacher Fall... Er passt nicht zu jedem, denn in seinem robusten Körper wohnt eine sehr empfindliche Seele. Er gehört eigentlich am besten zu ruhigen, einfühlsamen Leuten, die ihn als Familienmitglied und Jagdbegleiter betrachten.

Der Autor mit drei seiner Bracchi.

Die obige Beschreibung des Bracco Italiano spiegelt meine eigene Erfahrungen wider, die ich in zwölf Jahren mit der Rasse gemacht habe – durch Training von Bracchi aus verschiedenen Blutlinien, aus verschiedenen Kenneln und von selbst gezüchteten Hunden, durch Gespräche und Erfahrungsaustausch mit anderen Bracco-Besitzern. Es ist eine allgemeine Meinung, die ich aufgrund der großen Zahl erlebter Bracchi gefasst habe, schließt aber, selbstverständlich, die Ausnahmen nicht aus.

Zarina della Valle Santa

Der Autor mit Prado Compatriota di Bonfini

Alle Fotos: Gabor Essösy (c) Bracco Italiano Kennel Compatriota di Bonfini

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