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Bracco Italiano - Trab und Prüfungen

 

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Bracco Italiano - Trab und Prüfungen
Von
Sabine Middelhaufe

Der Trab gehört ohne Zweifel zu den unter italienischen Bracco Enthusiasten am meisten diskutierten Rasseeigenschaften, und so mancher unter uns ausländischen Fans dieser Hunde kann schwer nachvollziehen, wieso eine Gangart derartige Leidenschaften entfacht.
Überdies verwirrt uns die scheinbare Widersprüchlichkeit mancher Äusserungen.
So sind beispielsweise viele Züchter gar nicht glücklich darüber, dass Braccos, vor allem im Ausland, als reine Familienhunde gehalten werden. Aber so richtig zufrieden sind diese Befürworter des Bracco als reinem Jagdhund auch nicht, wenn Rassevertreter zwar regelmäßig und intensiv für die Jagd verwendet werden, dabei aber niemand auf den angemessenen Arbeitsstil achtet. Was nützt die schönste Strecke am Abend, wenn der Bracco nicht trabend und stilistisch korrekt gearbeitet hat, wenden sie ein.
Erstaunt ist man als Laie auch wenn man hört, dass die berühmten Prüfungssieger vielfach erst gegen Ende ihrer Prüfungskarriere, nämlich mit 6 oder 7 Jahren für die praktische Jagd eingesetzt werden – weil die Teilnahme am „normalen“ Jagdbetrieb sie für die Prüfungen verderben würde. Ja, wie passt denn das nun wieder zusammen, fragt man sich als Unbedarfter, dass ausgerechnet der Arbeitschampion, der als perfektes Modell eines typisch und effektiv arbeitenden Braccos deklariert wird, seine tatsächlich Aufgabe überhaupt nicht erfüllen soll, darf...?
Und nicht zuletzt kratzt man sich am Kopf, wenn man gerüchteweise hört, dass nicht wenige Braccos zunächst mit einem eigens für diese Rasse konstruierten Geschirr, „braga“ genannt, lernen müssen, korrekt zu traben. Wenn es eine definierende Charakterstik der Rasse ist zu traben, na, dann müssten die Hunde das doch von selbst tun, oder?


Polcevera´s Margo. Bes.: Jan Korcian (Tschechien) Foto: Regina Brand.
Startfoto: Baldobracco di Casamassima (lks.), Bacardi (dei Sanchi) Bes. und Foto: Linda Maschlanka.

Eine Schwierigkeit bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen besteht darin, dass die echten „braccofili“, nicht verstehen, wieso es da überhaupt Fragen gibt. Für sie ist die Sache ja klar: ein Bracco, der nicht trabt, wo er muss, ist kein Bracco.
Kürzlich hatte ich dennoch die Gelegenheit, jemandem meine Zweifel darzulegen.
Mario Villa begann seine kynologische Karriere vor 50 Jahren als Jäger und Profiausbilder von Vorstehhunden, und gilt heute dank seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Züchter und Leistungsrichter als wichtige Persönlichkeit des italienischen Jagdhundewesens. Freilich, er ist kein Bracco Züchter und sieht die ganze Geschichte deshalb sehr sachlich. Dies ist was er mir zum Thema Trab und Prüfungen erklärte:
„Fangen wir mit der einfachsten Frage an: Wäre es vertretbar, wenn ein Bracco Italiano das Traben mit Hilfe der „braga“ tatsächlich erst lernen müsste? Die Antwort darauf lautet ganz klar: Nein. Das wäre genauso absurd, als wenn ich einem Segugio Italiano mit irgendwelchen Hilfsmitteln erst beibringen müsste, Spurlaut zu geben. Jeder Bracco trabt also ganz natürlicherweise und von sich aus, der eine mehr, der andere weniger, der eine raumgreifender als der andere. Der sachkundige Einsatz der braga dient, und das wird scheinbar oft missverstanden, nicht zum Lehren des Trabs an sich, sondern lediglich zur Korrektur kleiner „Schönheitsfehler“ und zur Perfektionierung der Gangart. Der Profiausbilder wird den Hunden, mit denen er arbeitet - und das sind dann ja per Definition schon Rassevertreter mit überdurchschnittlichen Anlagen, sonst wären sie gar nicht bei ihm in der Ausbildung – vielleicht zwei- oder dreimal die braga anlegen, um sie in bestimmten Situationen quasi daran zu erinnern, dass sie auch hier traben und nicht galoppieren sollen und das war's dann schon. Jedenfalls gehört der Trab tatsächlich zum Bracco dazu und ist keine unsinnige, aus der Luft gegriffene Forderung.

Profiausbilder Danilo Rebaschio. Foto: Rebaschio.

Nun ist deine nächste Frage, wieso das denn überhaupt so wichtig ist.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle zuallererst sagen, dass wir in Italien nicht nur beim Bracco auf den Arbeitsstil achten, sondern bei allen anderen Rassen auch. Wenn zum Beispiel ein English Setter in pointerhaftem Galopp suchen oder ein Pointer in der Haltung eines Setters vorstehen würde, gäbe das nicht nur Punktabzug, sondern der Hund würde garantiert nie zum Champion erklärt werden. Das Besondere der verschiedenen Rassen liegt ja nicht nur im äusseren Erscheinungsbild. Der durchschnittliche Bracco Italiano hat ein völlig anderes Temperament als meinetwegen der durchschnittliche Epagneul Breton, und es ist logisch, dass sich das auch im Arbeitsstil manifestiert. Deshalb gibt es für jede Jagdhunderasse Arbeitsmerkmale, die als typisch gelten. Beim Bracco ist die Suche im Trab so ein Charakteristikum. Morfologie, Bewegung und Temperament gehören ja zusammen, bestimmen einander.
Ich glaube, das hauptsächliche Verständnisproblem würde sich von ganz allein lösen, wenn man sich die Zeit nähme, Vertreter verschiedener Rassen im Feld zu beobachten, und ich meine wirklich beobachten, nicht bloss anschauen, denn da wird offensichtlich, was den Pointer zum Pointer, den Bracco zum Bracco, den Setter zum Setter macht. Ob irgendein Jagdhund für seine Arbeit taugt kann man - vielleicht - an der Strecke ablesen, die er macht, aber ob er ein typischer Repräsentant seiner Rasse ist, sehe ich nur an seinem Stil, an der Art wie er seine Arbeit ausführt, und darin liegt doch gerade die Faszination der Jagd mit dem Rassehund! Ein wahrer "braccofilo" wird am Ende des Tages nicht selbstzufrieden sein geschossenes Federwild vorweisen, sondern mit Begeisterung und allen Details die Suchen seines Bracco beschreiben, seine Haltung beim Vorstehen, seine cleveren Entscheidungen, um Witterung zu finden oder wieder aufzunehmen, seine Passion und Entschlossenheit!

Der Trab ist ein typisches Merkmal des Bracco und Ausdruck seiner Mentalität. Foto: Sabine Middelhaufe

Wenn die italienischen Bracco Enthusiasten sich mokieren, weil man das anderswo nicht auch so sieht, steht dahinter wohl vor allem die Befürchtung, dass die Rasse nicht wirklich verstanden wird. Ich denke, einem passionierten Drahthaar Züchter in Deutschland würde es genauso ergehen, wenn er hörte, dass der italienische Jäger, der sich voller Enthusiasmus einen DD bei ihm gekauft hat, den Hund nur einige Wochen im Jahr und ausschliesslich für die Fasanenjagd einsetzt und völlig schockiert ist, weil er ausgeprägte Raubwildschärfe zeigt. Da fragt man sich doch auch, ja wieso hat der Mann ausgerechnet einen Drahthaar gewählt, wenn er gar keinen Allrounder mit genügend Schärfe braucht? Bloss weil ihm die Rasse optisch gefällt oder weil sie überall gelobt wird?

Bracco während einer Prüfung. Foto: Sabine Middelhaufe

Was nun die Verwunderung über die scheinbar so unterschiedlichen Anforderungen bei der Prüfung und in der Jagdpraxis angeht, ist die Sache bei näherer Betrachtung so verwunderlich eigentlich gar nicht. Ein Bracco, der im Prüfungsgelände kein Federwild findet oder es nicht korrekt vorsteht wird nie und nimmer zum Champion gekürt, er muss also auch hier die Aufgabe erfüllen, die er in der Praxis hat. Aber, und das ist der grosse Unterschied, eine Prüfung dauert 15-20 Minuten, d.h. der Bracco und sein Führer müssen in der Lage sein, vom Moment des Schnallens an, volle, perfekte Leistung zu zeigen. Sie müssen genau genommen ein hochwertiges Konzentrat ihrer Fähigkeiten präsentieren. Klar, dass das enorme Disziplin voraussetzt und folglich eine ganz spezifische, no-nonsense Ausbildung. Der Bracco, der eine sehr gute Bewertung bei der Prüfung bekommt, ist allemal für die Praxis geeignet, nur geht dort doch alles viel laxer zu. Was kümmert es den Jäger, wenn sein Bracco, gerade aus der Transportbox gesprungen, erst mal übers Feld galoppiert und ein bisschen herumalbert? Und wen stört es, wenn er, statt den Hasen zu ignorieren oder bestenfalls kurz zu verweisen, ihn fest vorsteht oder hoch macht? Ganz im Gegenteil freut sich der Jäger vielleicht sogar, wenn er den Hasen dann schiessen kann. Und sein wir doch mal ehrlich: wenn wir mit den Hunden raus gehen jagen, lassen wir ihnen oft auch andere kleine Ungenauigkeiten durchgehen, sei es, weil wir selbst unachtsam sind und zu spät merken, was der Hund da gerade ausheckt, oder weil wir ihn sowieso nicht mit absoluter Disziplin erzogen haben. Solange der Bracco, zur Ordnung gerufen, dann wieder seinen Job erfüllt ist das alles ja auch gar nicht weiter schlimm, schliesslich wollen wir beide ja auch unseren Spass haben. Bei der Prüfung hingegen ist so was nicht drin, das ist eben nicht der Moment, Spass zu haben. Da wird jeder kleinste Fehler vom Richter vermerkt und bewertet. Welchen Sinn hätte es nun, einen Hund erst strikt und streng auf diese 15 glorreichen Minuten vorzubereiten, ihm dann vielleicht in der kurzen Jagdsaison etliche Wochen gewisse Freiheit zu gestatten, nur um für die nächste Prüfung wieder auf eiserner Disziplin zu bestehen? Solche Wechselbäder wären für den Hund bestimmt sehr verwirrend und letztlich kontraproduktiv.

Bracco während einer Prüfung. Foto: Sabine Middelhaufe

Ausserdem muss man auch sagen, dass ein Bracco, der das Zeug zum Champion hat, daheim ständig trainiert wird, meist mehrmals im Jahr in spezielle Trainingscamps im Ausland fährt und laufend an Prüfungen teilnimmt. Er macht nicht nur zwei, drei Prüfungen, und das war's dann. Er ist vielleicht am besten mit einem Leistungssportler zu vergleichen, der sich täglich in seiner Disziplin übt und so oft es geht an Wettbewerben teilnimmt, um sich für einen bestimmten Titel zu qualifizieren. Und wie der Sportler irgendwann sein Leistungszenit überschritten hat, so ergeht es auch dem Hund. Im Alter von 6-7 Jahren hat er gezeigt, was in ihm steckt und kann nun ohne Nachteile für ihn und seinen Führer hauptsächlich oder „nur noch“ in der Jagdpraxis glänzen.
Es ist sicher zutreffend, dass der Hund bis dahin, ähnlich wie der Leistungssportler, ein in mancher Hinsicht spartanisches Leben führt. Aber man braucht doch nur zu sehen, mit welcher Freude, welchem Einsatz der eine wie der andere seine vielen, vielen Trainingsstunden absolviert, um zu verstehen, dass es für sie eine Art Erfüllung ist. Genauso wie es für den gerecht geführten Hund die Jagd ist. “

Ich muss gestehen, für mich waren diese Erläuterungen von Signor Villa äusserst nützlich und haben einige Missverständnisse ausgeräumt. Allerdings ist mir auch einmal mehr klar geworden, wie wichtig es ist, sich intensiv mit der Arbeit einer Rasse zu beschäftigen, sie bei Prüfungen und bei der Jagd zu sehen. Lesen ist schön und gut, ebenso den eigenen Bracco zu beobachten, aber erst im Vergleich mit anderen Hunden, derselben und anderer Vorstehrassen, werden bestimmte Merkmale richtig sichtbar, und erst wenn ein Experte sie kommentiert, dämmert einem ihre Bedeutung.
Vor allem aber verstehe ich besser denn je, wieso der Bracco arbeiten muss, als Jagdhund und auf seine spezielle Art und Weise, denn das ist seine Berufung.

Bracco im Trab. Foto: Sabine Middelhaufe


(c) Text 2010

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